Zehntausende Verbraucher haben in einer Online-Abstimmung die Zuckergranulat-Tees „Früchte“, „Waldfrüchte“ und „Apfel-Melissen“ der Fa. Hipp zu „dreistesten Werbelüge“ des Jahres 2012 gewählt.
Daraufhin hat die Verbraucherorganisation FOODWATCH für diese Produkte der Fa. Hipp den Preis „der GOLDENE WINDBEUTEL 2012“ vergeben. Es ist die 4. Verleihung dieser Negativ-Auszeichnung, nach Danone für seinen probiotischen Joghurt „Actimel“ (2009), der Molkerei Zott für ihren „Monte Drink“ (2010) und „Milch-Schnitte“ von Ferrero (2011).
Als Begründung für die „Preis“-Vergabe führt FOODWATCH aus, dass die Tees umgerechnet 2,5 Stück Würfelzucker pro 200 ml Tasse enthalten und damit den Ernährungsempfehlungen für Kleinkinder widersprechen.
Zucker! Neben Proteinen und Fetten ist der Kohlenhydrat Zucker einer der Hauptbestandteile unserer Ernährung. Und Zucker wie auch Fett sind oft in aller Munde - auch als Gesprächsstoff, ein mit Pro und sehr viel Contra belegter Gesprächsstoff.
Zucker wird viel Böses nachgesagt. Aber ganz ohne Zucker geht es nicht.
Im Verdauungsvorgang wird Zucker hauptsächlich in Glucose abgebaut und in Dünndarm schnell resorbiert. Diese ist für die Funktion aller Organe unentbehrlich. Besonders empfindlich gegen Blutzuckermangel ist das Gehirn. Dort laufen die Nervenbahnen, durch die mit Höchstgeschwindigkeit der Strom von Informationen gejagt wird. Das menschliche Gehirn braucht viel Zucker. Beim Erwachsenen sind es etwa 100 Gramm pro Tag. Kinder von zehn Jahren brauchen die Hälfte. Blutzuckermangel!- und das Gehirn kann die erhaltenen Informationen nicht mehr sinnvoll verknüpfen und umformen. Konzentrationsstörungen, Müdigkeit sind nur einige der Folgen, für Erwachsene und Kinder.
Und es gilt ebenfalls für Erwachsene wie auch für Kinder: Bei zu viel des Süßen oder Stoffwechselstörungen kann Zucker zu Fett umgewandelt werden. Die überschüssigen Kalorien können dann den gesundheitlichen Nutzen zu Nichte machen.
Grundsätzlich gelten ja die Empfehlungen für eine richtige Zusammensetzung unserer Ernährung für Erwachsene und Kinder gleichermaßen, nur dass die Ernährungsempfehlungen für Kleinkinder nach Altersgruppen differenziert werden. Dabei ist auch 1 Portion Süßes erlaubt - als „Extra“.
Dazu zählen fette Snacks oder gezuckerte Getränke. Die tägliche Menge an „Extra“ passt in eine Hand und könnte z.B. ein Mohrenkopf, eine Handvoll Gummibärchen, 1 Stückchen Kuchen oder ein Schokoriegel sein. Cola, Limo und andere Erfrischungsgetränke sind aufgrund ihres hohen Zuckergehaltes ebenfalls in diese Lebensmittelgruppe eingeordnet - sollten eher zurückhaltend konsumiert werden.
So gesehen, können die mit dem „Goldenen Windbeutel 2012“ preisgekrönten „Früchte-Tees“ von Hipp ohne weiteres in die empfohlene Gruppe des süßen „Extra“ eingeordnet werden.
Denn sie entsprechen entgegen der Meinung von Zehntausenden aus der Online-Abstimmung den Ernährungsempfehlungen für Kleinkinder. Außerdem steht die genaue und gut leserliche Angabe des Zuckergehalts auf der Verpackung. Dadurch wird der Begründung der Auszeichnung als „dreisteste Werbelüge“ des Jahres 2012 wegen Etikettenschwindel der Boden entzogen.
Ob nun Waldfrüchte-Tee oder Früchte-Tee bzw. Apfel-Melissen-Tee, alle enthalten laut Hersteller-Angaben 3,8 g Zucker in der Standardauflösung von100 ml d. h. 7,6 g Zucker /200 ml.
In Deutschland wiegt ein Stück Würfelzucker 3 Gramm.
Demnach entsprechen 7,6 g Zucker etwa 2,5 Stücke Würfelzucker.
Die Apfelschorle enthält je nach Hersteller zwischen 5,8 g und 16,3 g Zucker pro 100 ml, d.h. etwa 2 Stücke Würfelzucker bis etwa 5 Stücke Würfelzucker pro 100 ml oder auf 200 ml entsprechend 4 bzw. 10 Stücke Würfelzucker.
Im Vergleich die Hipp-Tees: 200 ml à 2,5 Stücke Würfelzucker
Die Apfelschorle wird in PET-Flaschen angeboten, beginnend mit 250 ml und dann 500 ml bis 1,5 l. Ob bei Öffnen einer 250 oder sogar 500 ml Flasche bei einer Trinkportion von 200 ml bleibt, ist es zu bezweifeln.
Denkt man an Durstlöscher, so denkt man als Ideallösung an Leitungswasser, Mineralwasser- für kleine Kinder laut Experten ohne Kohlensäuere oder nach aussprudeln - und vielleicht an reine Fruchtsäfte? Reine Fruchtsäfte enthalten jedoch natürlicherweise 10% Zucker verschiedener Art - umgerechnet etwa 7 Stücke Würfelzucker /200 ml. Sie sollten deshalb 1:1 mit Wasser verdünnt werden.
Im Vergleich die Hipp-Tees: 200 ml zu 2,5 Stücke Würfelzucker.
Haben die Teilnehmer bei ihrer Online-Abstimmung auch den „Tee mit Perlen“ berücksichtigt, besser bekannt als „Bubble Tea“, der momentan Jugendlichen als Kult-Getränk gilt?
Im Gegensatz zu der asiatischen Variante wird der hiesige „Bubble Tea“ mit großen Mengen Sirup gemixt. Der Drink enthält dadurch sehr viel Zucker, so dass ein kleiner Becher (300 ml) auf 300 bis 500 kcal kommen kann. Mittlerweile beginnt die Bechergröße in manchen Lokalen erst bei 500 ml, und 1l- Becher werden auch Angeboten.
Das bedeutet:
300 ml Becher à 300 kcal enthält umgerechnet 75 g Zucker = etwa 25 Stücke Würfelzucker
300 ml Becherà 500 kcal enthält umgerechnet 125 g Zucker = etwa 42 Stücke Würfelzucker.
Dem gegenüber kommen einem die Hipp-Tees als ungezuckerte Früchte-Tees vor:
Im Vergleich: Hipp-Tee, 300 ml Tasse à etwa 4,0 Stücke Würfelzucker
Außerdem nur nicht an die in den Bubble-Teas enthaltene Fructose denken. Denn mit Fructose wird Übergewicht, Erhöhung der Blutfettwerte u. a. m. in Verbindung gebracht. Und last but not least: der Bubble-Tea auf der Basis von schwarzem Tee enthält auch Koffein und damit ist er für Kinder ungeeignet.
Gegen selbstständiges Denken von Zehntausenden ist nichts einzuwenden. Ein selbstständiges Denken von Zehntausenden in der Version 2.0, mit ihrem Informations-Wust und womöglich widersprüchlichen Angaben führt in der Praxis nicht ohne weiteres zu einer sinnvollen und verbrauchergerechte Kommunikation .
- Sapere aude (lateinisch) = Wage es, vernünftig zu sein!
Wenn schon Teilnahme an einer Online-Abstimmung dann sollte man annehmen, dass detaillierte Online- Angabendes Herstellers hinsichtlich Zutaten, Nährwerte und weitergehende Empfehlungen und Hinweise betreffend das Objekt der Abstimmung von Teilnehmern zur Kenntnis genommen worden sind.
Wäre dies zutreffend, dann ist es paradox, dass der Hipp-Zuckergranulat-Tee von zehntausenden gut informierten Verbrauchern zum Windbeutel-Sieger 2012 gewählt werden konnte.
Die Nominierung entbehrt nachweislich jeglicher Grundlage.
Leider reagierte der Hersteller umgehend auf die Nominierung. Wenige Tage nach Beginn der Online-Abstimmung gab er bekannt, die Zuckergranulat-Tees bis Jahresende vom Markt zu nehmen.
Schade eigentlich! Die Tees schmecken tatsächlich, warm und kalt, zu jeder Jahreszeit, der ganzen Familie und nicht nur den Kindern - in voller Übereinstimmung mit den Angaben des Herstellers.