Donnerstag, 23. August 2018

„Männer sind, und Frauen auch, und ebenso die Zwischengeschlechtlichen, überleg dir das mal“….

würde Loriot heute sagen müssen.

Quelle:Wikipedia
„Le Deuxième Sexe“, deutsch mit „Das andere Geschlecht“ übersetzt, obwohl richtiger „Das zweite Geschlecht“ gewesen wäre -  der weltberühmte Roman von Simone de Beauvoir!
Darin brachte die Autorin mit Verwunderung ihre Feststellung zum Ausdruck, dass es so etwas wie „unwiderlegbare“ Gesetze gebe, welche Frauen körperliche oder geistige Beschränktheit zuschreiben und somit das Frausein zu einem Schicksal mit beschränkten Möglichkeiten vorbestimmt.
Fazit der Autorin: Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es! 

Der Roman wurde Ende der 40-ger Jahre des 20 Jahrhunderts geschrieben.

Quelle: Wikipedia
Quelle:Wikipedia
Im 21. Jahrhundert gilt die vom  „Gender Mainstreaming“ getragene Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Dies verpflichtet die Verantwortlichen - zur Durchsetzung der Geschlechtergleichstellung in allen gesellschaftlichen Bereichen - die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen von Männern und Frauen zu berücksichtigen.

Eine sehr komplexe Aufgabe, die sich  zu einer noch komplexeren Aufgabe entfaltet, wo es sich bei den diversen Varianten der Geschlechtsentwicklung nicht nur um  Gleichstellung von Frauen und Männern in Arbeitswelt, Familie, Gesellschaft und Politik handelt.
Denn man kommt nicht nur als Frau oder Mann zur Welt, man kann aus verschiedenen Gründen auch „dazwischen“ liegen.
Quelle: Wikipedia

Die Mediziner sprechen von INTERSEXUALITÄT (inter, lat. = zwischen,), also INTERGESCLECHTLICHLEIT / ZWISCHENGESCLECHTLICHKEIT, wenn ein Mensch genetisch - aufgrund seiner Geschlechtschromosomen -  und /oder anatomisch - aufgrund seiner Geschlechtsorgane - und hormonell - aufgrund des Mengenverhältnisses der Geschlechtshormone -  nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. 
Weil die INTERSEXUALITÄT auf genetische, anatomische,  hormonale Fehlfunktionen zurückgeführt wird, wurde sie in medizinischen Kontexten auch Sexualdifferenzierungsstörung genannt, ein Begriff, der wegen seiner Krankheit andeutenden / pathologisierenden  Wirkung von intersexuellen Organisationen als diskriminierend empfunden wurde. Aus diesem Grund wird mittlerweile alternativ auch der Begriff „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ genutzt.

Das Geschlecht eines Menschen wird bekanntlich  von der Art der Chromosomen bestimmt, die er bei seiner Entstehung von den Eltern bekommen hat.
Die weibliche Eizelle hat unter ihren 23 Chromosomen ein X-Chromosom.
Männliche Spermien enthalten 23 Chromosomen, eines davon ist ein X-Chromosom oder ein Y-Chromosom.
Hat das nach der Vereinigung von Ei- und Samenzelleunter entstandene Wesen unter seinen  46 Chromosomen 2X-Chromosomen gilt es als weiblicher Mensch, genannt Frau: XX= Frau.
Hat es unter seinen 46 Chromosomen ein X- und ein Y-Chromosom gilt es als männlicher Mensch, genannt Mann: XY=Mann.
 
ein Zwischengeschlechtlicher/Wikipedia
Intersexuelle Menschen haben jedoch körperliche Besonderheiten, die sie  nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen.
So sehen beispielsweise manche der betroffenen Kinder wie ein Mädchen aus, haben aber im Erbgut ein Y-Chromosom. Bei anderen produziert der Körper männliche Hormone, sodass die Betroffenen wie ein Junge aussehen, obwohl sie mit einem weiblichen Geschlechtsteil geboren wurden. Und in manchen Fällen kommt es vor, dass ein Kind mit zwei Geschlechtsteilen geboren wird.


Wie sieht der rechtliche Umgang mit INTTERSEXUALITÄT in Deutschland aus?

Das Personenstandgesetz sah nach der Novellierung von 2013 vor,  dass bei mangelnder  geschlechtlicher Eindeutigkeit der Eintrag für das Geschlecht leer bleiben soll. Da es aber Dokumente gibt, in denen das Geschlecht angegeben werden muss (Personalausweis, Pass) hatte der fehlende Eintrag des Geschlechts für Betroffene erhebliche Nachteile zur Folge.

Sah vor, hatte! Weil  2017 verpflichtete das Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvR 2019/16) den Gesetzgeber bis Ende 2018 eine neue Regelung zu schaffen, die den intersexuelle Menschen ermöglichen sollte,  ihr (Zwischen)Geschlecht mit einer „positiven Bezeichnung“ eintragen zu lassen, wie zum Beispiel „inter“ oder „divers“ - oder den Geschlechtseintrag beim Standesamt sogar ganz wegzulassen.
Die positive dritte Bezeichnung soll es den betroffenen Personen aber ermöglichen, ihr Geschlecht auch in wichtigen Dokumenten wie dem Personalausweis, in dem das Geschlecht angegeben werden muss, eintragen zu können.
Begründung: Menschen, die nicht mit einem eindeutigen Geschlecht auf die Welt gekommen sind, sollten nicht gezwungen sein, sich einem der zwei Geschlechter zuordnen zu müssen. Dies verstoße gegen das Personenstandgesetz und folglich auch gegen die Persönlichkeitsrechte.

Vor diesem Hintergrund beschloss das Bundeskabinett am 15.08.2018 einen Gesetzentwurf, der den intersexuellen Menschen ihren  Geschlechtseintrag mit dem Begriff „divers “ ermöglichen sollte - „divers “/verschieden, wie die verschiedenen zwischengeschlechtlichen Gegebenheiten, denen man Rechnung zu tragen hat, da sie sich nicht in die geltende Rubriken einordnen lassen.
So gesehen ist „divers “ keine Bezeichnung für ein „drittes Geschlecht“, wie man diversen Medienberichten entnehmen konnte.

Laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht es dabei um eine „positive dritte Bezeichnung“ für einen Personenstand, der - aufgrund diverser Varianten mit gleichzeitiger weiblicher und männlicher Geschlechtsmerkmalen in der Geschlechtsentwicklung - von der Bezeichnung XX = Frau oder XY= Mann abweicht. So z. B. gibt es
X Frauen, XXX Frauen,
XXY Männer, (selten XXXY bzw. XXXXY), XYY Männer.

Experten zufolge soll es mehr als 60 Varianten von Intersexualität geben.
Würde man nur die häufigsten Varianten von Intersexualität berücksichtigen, könnte man nicht nur vom 3. Geschlecht, sondern vom 7. Geschlecht sprechen können.

Die „Bundesvereinigung Trans“ habe allerdings begrüßt, dass im Gegensatz zur Vorlage des Bundesinnenministeriums nun das Wort „divers“ statt „weiteres“ für den dritten Personenstand benutzt werde.

Wäre aber nicht, die vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls genannte Bezeichnung  „inter“ doch besser?
Sogar der Auslöser für den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts war die Klage einer intersexuellen Person, die im Kindesalter dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde und die Änderung der Geschlechtsangabe im Geburtenregister in „inter"  beantragte. Ihr Antrag wurde abgelehnt.
Sie legte daraufhin Klage ein und fügte eine  Chromosomenanalyse bei, die bestätigte, dass sie weder eindeutig ein Mann noch eine Frau sein kann, denn sie hat nur ein X-Chromosom. Die Klage scheiterte in allen Instanzen, inklusive Bundesgerichtshof. Erst die eingereichte Verfassungsbeschwerde war dann erfolgreich.

„inter“/ zwischen im Zusammenhang mit Geschlechtlichkeit bedeutet zwar ZWISCHENGESCLECHTLICHKEIT. Das Wort suggeriert aber auch eine Verbindung zwischen A und B, und wo es menschliche Verbindungen gibt, könnten auch Wechselbeziehungen zwischen den Individuen innerhalb der Gesellschaft entstehen, die (u.a.) ihr INTEResse (Interesse lat.= Anteilnahme, Aufmerksamkeit) auf dem Gebiet der Geschlechtergleichstellung bekunden.

Quelle: Wikipedia
Da ist „America tatsächlich first“!
Medien zufolge sollen die Demokraten als erste große Partei in den USA eine intersexuelle-Frau, Christine Hallquist, als Kandidatin für einen Gouverneursposten aufgestellt haben. Es sei eine Unternehmerin, die sich bei den Vorwahlen der Partei im Bundesstaat Vermont durchgesetzt habe und damit als Spitzenkandidatin für das Gouverneursamt in die Wahl im November gehe. Von den die Verbänden, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzten, wurde die Nominierung  als  „historisch“ genannt.

Trotz allem: es bleibt bei 2 Geschlechtern!
Überlegen Sie das mal: Frauen sind immer noch, und Männer auch, sowie Zwischengeschlechtliche. Den Letztgenannten, die geschlechtsmäßig irgendwo zwischen Frau und Mann liegen und sich bisher einem der 2 Geschlechter zuordnen mussten, werde nun mit dem zusätzlichen Eintrag divers (oder doch inter?) die erforderliche positive Bezeichnung ihres Geschlechts  „Mann/Frau“ bzw.„Frau/Mann“gegeben - d. h. eine geschlechtliche Zuordnung, der nach Ansicht der Verfassungsrichter eine „herausragende Bedeutung“ für die individuelle Identität zukomme.