Montag, 19. Juni 2017

„Sandwich-Scheiben“, „schmelzende-Scheiben“, „Bratstück“, „Pflanzen-Bratling"

Die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Lebensmitteln ist groß. Die auf Verpackungen angebrachte  Zutatenliste biete aber laut Verbraucherzentrale nicht immer eine schnelle und eindeutige Erkennung vegetarischer und veganer Lebensmittel. Denn vegetarisch /vegan bedeutet nicht nur, dass im Produkt keine tierischen Bestandteile enthalten sind, sondern auch, dass bei der Verarbeitung keine tierischen Hilfsmittel (wie Gelatine, tierische Fette) eingesetzt wurden. Diese Hilfsmittel seien in der Zutatenliste nur bedingt ersichtlich.
Zudem versehen manche Hersteller ihre Produkte mit eigenen Labeln und andere bieten weitere Informationen auf ihre Internetseiten.
Hier beispielhaft der Rügenwalder Vegetarische Schinken Spicker MORTADELLA

Zutaten
  • Eiklar* (69%)   *Eier aus Freilandhaltung                 
  • Rapsöl
  • Trinkwasser
  • Kochsalz
  • Gewürze
  • Verdickungsmittel:
    • Johannisbrotkernmehl
    • Xanthan
    • Carrageen 
  • Säureregulatoren:
    • Kaliumlactat
    • Natriumacetate
  • natürliches Aroma
  • Traubenzucker
  • Farbstoffe:
    • Carotin
    • Anthocyane
Kann Spuren von Gluten und Soja enthalten.

Warum wir diese Zutaten


Abhilfe soll das von der der Europäischen Vegetarier Union entwickelte Label „V“ schaffen.
Es wird auf Antrag und nach vorheriger Prüfung vergeben. In Deutschland übernimmt dies der Vegetarierbund Deutschland (VEBU). Der Hersteller ist verpflichtet, vor der Nutzung des Zeichens die Zusammensetzung des Produktes sowie die verwendeten Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe offen zu legen.
Die Einhaltung der Kriterien wird sowohl durch eine Eingangsprüfung – unter Umständen unter Einschaltung eines unabhängigen Prüflabors – als auch durch Stichproben kontrolliert. Bei jeder Änderung der Zutaten wird neu geprüft.
Nicht verwendet werden darf das Label unter anderem bei Käse, der mit Kälberlab hergestellt wurde, sowie Fruchtsäften, die mit Gelatine geklärt wurden. Grundsätzlich ausgeschlossen sind Produkte mit Eiern aus Käfighaltung und gentechnisch veränderte Produkte.
Auch im Bereich Gastronomie ist das Label zu finden. Für die Zutaten in den Menüs, die von zertifizierten Restaurants mit dem Label gekennzeichnet werden, gelten dieselben Richtlinien wie für Produkte im Handel.
Die europäische Kollektivmarke "V" gilt in fast allen Ländern Europas und wird auch außerhalb Europas, beispielsweise in den USA und Kanada, verwendet.

Nun trotz bestehender Regelungen hat es die Milchersatzprodukte erwischt!

Der Europäische Gerichtshof, EuGH, hat durch ein aktuelles Urteil, (C-422/16),  entschieden, dass rein pflanzliche Produkte grundsätzlich nicht unter Bezeichnungen wie „Käse“, „Milch“, „Rahm“, „Butter“, oder „Joghurt“ vermarktet werden dürfen, da das europäische Lebensmittel- Kennzeichnungsrecht diese Bezeichnungen Produkten tierischen Ursprungs vorbehält.
Demnach ist die Bezeichnung MILCH allen Produkten vorbehalten, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden und dies gelte auch für die Nutzung der Begriffe KÄSE, RAHM, SAHNE, BUTTER oder JOGHURT.
Ein  veganes Produkt enthält jedoch keine Milchbestandteile, sondern wird auf der Basis von Pflanzenfett und Stärke, zum Teil Sojabestandteilen oder Mandelmilch hergestellt. Für einen produktspezifischen Geschmack und eine entsprechende Konsistenz sind dann noch Aroma und Zusatzstoffen erforderlich. Die Richter sahen darin eine Verwechslungsgefahr für die Verbraucher, die es auszuschließen gelte.
Auch klarstellende oder beschreibende Zusätze, wie „Tofubutter“, „Pflanzenkäse“, „Veggie Cheese“,  würden nach Ansicht der Richter eine Verwechslungsgefahr in der Vorstellung des Verbrauchers nicht mit Sicherheit ausschließen können.

Quelle: 123rf
Das Verbraucherportal Lebensmittelklarheit, das Informationen rund um Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln bietet, weist vor dem Hintergrund dieses EuGH-Urteils erneut darauf hin, wie wichtig es sei, dass Hersteller geeignete Bezeichnungen verwenden, die vegetarische und vegane Lebensmittel klar und eindeutig benennen.
Und es gibt bereits Vorschläge für neue Namen zur Kennzeichnung von Milchersatzprodukten: „SANDWICH-SCHEIBEN“ oder „SCHMELZENDE SCHEIBEN“.

Quelle: 123rf
 Es gibt aber nicht nur vegetarische und vegane Milchersatzprodukt, sondern auch vegetarische und vegane Fleisch /Wurst- Ersatzprodukte.
Mittlerweile würden mehr als ein Drittel der deutschen Haushalte bewusst den Fleischkonsum reduzieren - wie es in einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) heißt.
Die meisten von ihnen seien die sogenannten FLEXITARIER. Sie schränken ihren  Fleischkonsum ein, nicht weil sie kein  Fleisch mögen, sondern aus ethischen oder ökologischen Gründen  - aber wenn, dann konsumiert der FLEXITARIER  gutes Fleisch.  


Das Thema hinsichtlich der Bezeichnung dieser vegetarischen und veganen Fleisch /Wurst- Ersatzprodukte hat schon lange die Gemüter erhitzt. Und das aktuelle EuGH- „Pflanzenkäse“- Urteil hat wohl nicht zur Abkühlung dieser Gemüter geführt.
Denn was kann man sonst tun, wenn man hin und wieder auf das Original verzichtet, aber den Fleisch /Wurst-Geschmack nicht missen möchte?  Auf Schnitzel, Bouletten, Steaks oder Würstchen zugreifen, die wie die Originale aussehen und dennoch nur Pflanzliches enthalten.
Und  was passiert, wenn ein Gerichtsspruch in naher Zukunft vorsehen wird, dass  Bezeichnungen wie „Schnitzel“, „Steak“, „Wurst“ & Co den tierischen Produkten vorbehalten bleiben?

FLEISCH ist aber keine MILCH.
Für Milchersatzprodukte liegt eine Besonderheit vor. Nach geltendem Recht sind Begriffe wie „Käse“, „Rahm“, „Butter“ Erzeugnissen vorbehalten, die ausschließlich aus Milch hergestellt werden.
Bei Fleisch- und Wurstersatzprodukten sind Bezeichnungen wie „Schnitzel“, „Steak“, „Wurst“ & Co keine Erzeugnisse bestimmten Ursprungs, sondern lediglich Bezeichnungen / Namen, die dem Verbraucher einen Hinweis darauf geben, was er in Sachen Geschmack, Konsistenz und Art der Zubereitung zu erwarten hat.


Der EuGH scheint gleicher Ansicht zu sein.
Quelle:123rf
Mit dem „Pflanzenkäse“-Urteil hat er entschieden, dass Verkaufsbezeichnungen vegetarischer oder veganer Alternativprodukte für Milch oder Milcherzeugnisse den tierischen Produkten vorbehalten sind. In Bezug auf die aktuelle Verwendung von Verkaufsbezeichnungen vegetarischer oder
veganer Fleisch /Wurst- Alternativprodukte sahen die Richterdagegen  keinen Handlungsbedarf. Dabei handele es sich um ungleiche Erzeugnisse, die verschiedenen Vorschriften unterliegen. 
Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) traut jedem mündigen Verbraucher zu, zu erkennen, dass ein klar als veganes oder vegetarisches gekennzeichnetes Produkt - veganes Schnitzel -  nicht aus Fleisch ist.

Lebensmittelklarheit.de ist nach wie vor der Ansicht, dass die eindeutige Kennzeichnung von Fleisch- und Wurstalternativen genauso ein Muss ist, wie die eindeutige Kennzeichnung von Milch-  und Käse – Ersatzprodukten.
„BRATSTÜCK“ lautet ein Vorschlag des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV) z. B.  für vegane oder vegetarische Gerichte, die bislang noch als fleischlose Schnitzel, Bouletten oder Steaks verkauft werden. Nach DFV  könnten sie auch anders heißen - Hauptsache nicht mehr so, wie ihre Vorbilder aus Fleisch.

Das „Pflanzenkäse“- Urteil ist natürlich auch Wasser auf die Mühlen des Bundeslandwirtschaftsministers, der die Verweise auf klassische Produkte wie „vegetarische Putenbrust“, „veganes Schnitzel“, „vegetarische Currywurst“ ändern will, weil sie  komplett irreführend für die Verbraucher seien und sie verunsichere.

Erstaunlicherweise sehen die Verbraucher selbst eine Verwechslungsgefahr so gut wie gar nicht. So ergab  eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) im Jahr 2015, dass gerade einmal vier Prozent der Befragten schon einmal versehentlich statt eines tierischen oder fleischhaltigen Lebensmittels ein vegetarisches oder veganes gekauft hat oder umgekehrt.
Viele Verbraucher wünschen sich den Verweis auf herkömmliche Produkte sogar. Nur 38 Prozent der Befragten hielten es für sinnvoll, vegetarische oder vegane Lebensmittel mit ganz neuen Namen zu kennzeichnen - wie zum Beispiel "PFLANZEN BRATLING".

Ob vorgeschlagene Bezeichnungen wie „SANDWICH-SCHEIBEN“, „SCHMELZENDE SCHEIBEN“, „BRATSTÜCK“ oder „PFLANZEN BRATLING" die erwünschte umfassende, transparente und verständliche Verbraucherinformation liefern, die Vertrauen schafft und bewusste Kaufentscheidung möglich macht, so dass dem gesunden Genuss nichts mehr im Wege steht?
Besser mit neuen Namen abwarten bis - wie aus der Sicht der Verbraucherzentrale -  die Aussagen „vegetarisch“ und „vegan“ durch EU-weit notwendige einheitliche und rechtsverbindliche Angaben definiert und somit zu einer zuverlässigen Hilfe bei der Auswahl vegetarischer oder veganer Lebensmittel werden
 …und in der Zwischenzeit FLEXITARIER werden. Es sind jene Menschen, die uns mit ihrem vorbildlichen Fleischkonsum zum Fleischgenuss ein gutes Gewissen verschaffen.
Quelle: 123rf

Denn, auch wenn man nicht zu der Paleo-Gemeinschaft gehört, so sind vielen von uns Fleisch in Fleisch und Blut übergegangen - Fleisch, ein Lebensmittel, das etwas wert ist.  Es enthält Eiweiß (rd. 22 Prozent), Fett und Mineralstoffe. Das Eiweiß des Fleisches wird von Organismus zu über 96 Prozent ausgenutzt.
Durch Kochen im Wasser gehen die löslichen Bestandteile ins Wasser über. Dadurch ist das ausgekochte Fleisch nährstoffärmer. Dabei aber entsteht die Fleischbrühe und diese kann als Grundlage für Suppen, Saucen und als Kochflüssigkeit für Fleisch, Geflügel, Fisch und Gemüse dienen.

Quelle: 123rf
In Brühe gegarte Lebensmittel bleiben aromatischer, da die Brühe Geschmacks- und Mineralstoffe enthält, die zum Teil ins Gargut übergehen, anstatt ihm diese Stoffe zu entziehen.
Bei Legen in kochendes Wasser, Braten im heißen Fett oder Grillen bleibt allerdings der Nährwert des Fleisches  erhalten, da das Eiweiß gerinnt.
Was will man mehr?