Dienstag, 1. Juni 2010

Was würde Hippokrates heute sagen?

Der alte Grieche und Gründer der wissenschaftlichen Medizin.
Vor über 2000 Jahren sah Hippokrates als Ursache für Krankheiten die fehlerhafte Mischung von Körpersäften, entstanden als Folge falscher Lebensweise und Ernährung und in Verbindung mit Konstitution, Beruf, Trinkwasser, Klima, Temperatur, Boden.
Im Umkehrschluss umfasst dann Gesundheit eine richtige Mischung der Körpersäfte, entstanden durch richtige Lebensweise und Ernährung und unter Berücksichtigung von (sozialen) Zielsetzungen und den gegebenen äußeren Lebensbedingungen.

Diese Ansichten kommen erstaunlich nahe an die neuere Definition der Gesundheit, formuliert über 2000 Jahre später von Klaus Hurrelmann, (2000).
Hurrelmann definiert Gesundheit als "den Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet“….

Es ist jedoch eine Schein-Nähe. Denn in den vergangenen 2000 Jahren und insbesondere sehr schnell im IT- Zeitalter hat sich um Gesundheit herum eine Menge geändert.
O tempora, o mores (O Zeiten, o Sitten) – würden die alten Römer und nicht die alten Griechen sagen, namentlich Cicero, und dabei den Verfall der Sitten beklagen.
Wenn auch nicht grundsätzlich der Verfall der Sitten zu beklagen ist, so geht es doch um wahrhaftig andere Zeiten und andere Sitten.

Die alten Griechen wussten schon viel über die „Gesundheit als solche“.
Sie kannten das gewisse Verhältnis Mensch-Arzt zum geduldigen und leidenden Menschen = Patient. Sie hatten aber keine Ahnung von der „Gesundheit +“ d. h. Gesundheit - Markt / Gesundheit -Wirtschaft.

Denn die alten Griechen wussten nicht, dass Gesundheit sich nicht auf das Erkennen einer Krankheit aus den Mitteilungen des Kranken selbst, den Untersuchungsbefund und die symptomatische Bekämpfung reduziert.
Wenn ihnen auch das „Wohlbefinden“ / Wellness mit Massagen und gesundheitsbezogenen Sportaktivitäten bekannt war, kannten sie nicht die „Selfness“(sich selbst verändern wollen), durch einen immer weiter steigenden Konsum von gesundheitsfördernden Lifestyle-Produkten und- Dienstleistungen, wie Fitness / Wellness kombiniert mit Aufbau -und Vitaminkuren oder individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), beratende und ärztliche Leistungen in der Reisemedizin, ästhetische Chirurgie u. a. m.

Die alten Griechen wussten nichts über immer größere Bedeutung von Mitteln für die Mensch-Maschine-Kommunikation mithilfe unzähliger mobilen Services.
Die Listen der medizinischen Software für mobile Geräte mit aktuellen Trends, Behandlungsmethoden oder grundsätzlich Einsatzgebiete und Funktionsliste sind praktisch unendlich.
Medizinische Fachkräfte werden - nicht immer, aber immer öfter - mit ihren mobilen Geräten wichtige Informationen oder Krankendaten abrufen können.

Beispielsweise gibt es eine Software, die verschiedene Krankheiten auflisten und als Nachschlagewerk eingesetzt werden kann. Mit einer schnellen Suchfunktion können unterschiedliche Symptome und Diagnosen abgefragt werden;
oder ein Programm, das jeder Dermatologe einsetzen kann. Nach der Installation der Software auf dem tragbaren Gerät können Krankheiten mit Bildern angesehen werden. So hat der Arzt die Möglichkeit verschidene Krankheitsbilder am Patienten vergleichen zu können;
oder eine Datenbank mit Arzneimitteln und deren Wirkstoffe. Eine derartige Datenbank kann jedes Jahr im Internet bestellt werden. Eine Software für mobile Endgeräte kann auf verschiedenen Systemen installiert werden. Sie kann jedes Jahr mit neuem Datenbestand bestellt werden.

Die alten Griechen hatten keine Kenntnis vom Sammelbegriff „Telematik“, ein Begriff für gesundheitsbezogene Aktivitäten, Dienste und Systeme, die über eine Entfernung hinweg mit Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie ausgeführt werden.

Und die alten Griechen kannten letztendlich auch nicht die Altenplage mit ihrem steigenden Gesundheitsbewusstsein möglichst lange fit und mobil zu sein, und mit großem Interesse an altersgerechten Wohnungsausbauten und Pflegedienstleistungen.

Kurzum: die alten Griechen wussten also nicht, dass Gesundheit nicht allein Diagnose und Therapie einer Krankheit bedeutet oder wie wir es heute sagen, nicht nur „der Erste Gesundheitsmarkt“.

Zu der von einem Paradigmenwechsel gerüttelten und geschüttelten Gesundheitsbranche gehört neben der klassischen Versorgung des Ersten Gesundheitsmarktes auch die Gesunderhaltung - „der Zweite Gesundheitsmarkt“. Und die Zukunft gehört dem „Zweiten Gesundheitsmarkt“, sagen die Experten. Es ist der Bereich der Lifestyle -Medizin mit der Gesamtheit aller gesundheitsbezogenen Produkte und Dienstleistungen, die nicht von den gesetzlichen oder privaten Krankenkassen bezahlt, sondern aus eigener Tasche finanziert werden müssen.

Gesundheitsmarkt hört sich wie Finanzmarkt an.
Auf dem Finanzmarkt fordern Finanzexperten Nachhaltigkeit: KAPITAL nutzen und pflegen, um aus den „Zinsen“ zu leben und nicht die „eigene Substanz“ zu verzehren .
Warum dann nicht auch auf dem Zweiten Gesundheitsmarkt: das HUMANKAPITAL nicht nur nutzen, sondern auch pflegen, um aus seinem „Zins“- Potential als Innovationsmaschine und Jobmotor zu leben und nicht die eigene Substanz zu verzehren.

Das würde aber neue Rahmenbedingungen für den Ersten Gesundheitsmarkt erfordern.
Der Beginn: eine Umbenennung, d. h. kein Erster Gesundheitsmarkt, sondern schlicht GESUNDHEITSPFLEGE neben dem Gesundheitsmarkt mit der Gesunderhaltung, zwei Bereiche des Gesundheitswesens.

Dies würde bedeuten, dass es sich um einen Bereich handelt, der für den Wettbewerb -sei er auch ein „lauterer“ - nicht zugänglich ist. Ein Teilnehmer an der Gesundheitspflege darf sich nicht mit anderen Teilnehmern ein Wettrennenliefern, sondern ordnet sich in den allgemeinen Betriebsfluss ein, der jeden möglichst schnell und sicher ans Ziel bringt: eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft.

Da würde auch Hippokrates wieder mitmachen wollen.