Sonntag, 22. November 2009

Helden der Liebe...

sind die Potenzpillen-Schlucker, sagt uns die Werbung voller inbrünstiger Bewunderung.
Kein Werbespot hat aber je etwas über "Heldinnen der Liebe" verlauten lassen, obwohl auch weibliche Personen seit Generationen zu befriedigendem gesellschaftlichem Zusammenleben der Geschlechter gewisse Pillen schluckten.

Und da sind wir schon mittendrin im Mainstream des 21. Jahrhunderts oder besser gesagt beim GENDER MAINSTREAMING.
Das bedeutet in der Mitte bestimmter inhaltlicher Vorgaben zu sein, die die Gleichstellung der Geschlechter im sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Sinn zum geschlechterspezifischen Hauptstrom zu machen haben.
Der englische Begriff GENDER wurde auch ins Deutsche übernommen, da es im Deutschen kein Äquivalent dafür gibt, der - wie der englische Ausdruck - die Unterscheidung zwischen dem „sozialen“ oder „psychologischen“ Geschlecht eines Menschen und dem biologischen (engl.) Sex ermöglicht.

Demnach heißt GENDER MAINSTREAMING nicht den biologischen Sex zum Hauptstrom, zum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen zu machen.
Er fordert weder ein „frauenspezifisches“ noch „männerspezifisches“ Handeln, sondern ein menschengerechtes Handeln in allen Lebensbereichen, ohne aber biologische Einflüsse außer Acht zu lassen.

Leichter gesagt als getan, wie die aktuelle praktische Umsetzung von GENDER MAINSTREAMING zeigt.

Wie eingangs gesagt: die "Helden der Liebe" werden unmittelbar nach Schlucken von Potenzpillen als solche auserkoren, die "Heldinnen der Liebe" bleiben weiterhin im Dunkeln - trotz einschlägiger Schlucken seit Generationen.
Aber nicht verzagen und Medienberichte fragen bzw. lesen!

Und Medienberichten zufolge ist eine Art „Viagra für Frauen“ im Anmarsch. Es handelt sich dabei um einen ursprünglich als Antidepressivum entwickelten Wirkstoff, Filbanserin, der geeignet sein soll, die Libido der Frauen zu steigern.
Nun erkennt vielleicht die Werbung den Wink der Wissenschaft und Forschung an und verleiht ganz dem GENDER MAINSTREAMING entsprechend auch den weiblichen Menschen den wohlverdienten Titel der „Heldinnen der Liebe“.

À propos Wissenschaft und Forschung!

Denken wir an die Reproduktionsmedizin.
Begriffe wie Eizelle, Spermien, Befruchtung, In-Vitro-Fertilisation (IVF), Präimplantationsdiagnostik (PID), Leihmutterschaft sind sozusagen in aller Munde.
Es stimmt, dass mithilfe gewisser Reproduktionstechniken psychische und physische Belastungen einer künstlichen Befruchtung vermieden werden können.
Aber bis zur entsprechenden Gleichstellung der weiblichen Menschen und männlichen Menschen i. S. d. GENDER MAINSTREAMING -Forderung ist noch ein langer Weg.
Heute bedeutet die zur Routine gewordene IVF Hormongaben und ein operativer Eingriff bei der Eizellentnahme für weibliche Menschen, und der Gang des mit einem kleinen Gefäß gewappneten männlichen Menschen in ein schön eingerichtetes Zimmer mit stimulationsfähigen Fachmagazinen.

Aber nur nicht die Hoffnung aufgeben!

Auch wenn heute in Deutschland eine Leihmutterschaft verboten ist, die Rechtslage kann sich noch ändern. Und vielleicht von GENDER MAINSTREAMING getragen, steht in gar nicht so ferner Zukunft und einem schmucken Zimmer,zwar keine leibhaftige Leihmutter zur Verfügung, dafür aber eine zum Blockbuster - Nachwuchs programmierte Gebärmutter (eventuell belassen mit kleinen niedlichen Software-Fehlern), die bis zum Finale von den unbeschwerten biologischen Eltern besichtigt wird.

Es ist offensichtlich, dass die besten Absichten zur Umsetzung der GENDER MAINSTREAMING -Forderung nach Gender- Gleichstellung / Menschen - Gleichstellung nicht genügen, wenn die Umsetzungsmaßnahmen ohne die Berücksichtigung des biologischen Einflusses (von Sex) durchgesezt werden sollten. Und dies nicht nur im Bereich der Reproduktionsmedizin.

So haben Frauen und Männer unterschiedliche Anforderungen an das Gesundheitssystem. Das liegt daran, dass Frauen und Männer unterschiedliche gesundheitliche Probleme haben und nicht zuletzt, weil sie ein unterschiedliches Körper- und Krankheitsbewusstsein zeigen. Frauen gehen erfahrungsgemäß eher zum Arzt und nehmen ihre Gesundheit ernster als Männer. GENDER MAINSTREAMING heißt hier, Aufklärungsmaßnahmen für Männer durchzuführen, um so die Ernsthaftigkeit des Themas Gesundheit klarzustellen und gleichzeitig die etwaige Angst vor einer Identitätsstörung zu nehmen.

Weil klinische Studien fast ausschließlich an Männern durchgeführt werden, sind die medizinische Forschung und Diagnoseverfahren auch auf Männer orientiert. Auch Therapien und Medikamente sind daher auf männliche Körper ausgerichtet. Ob die Medikamente in den entsprechenden Dosierungen für Frauen eventuell weniger hilfreich oder sogar schädlich sein können, ist nicht bekannt.
GENDER MAINSTREAMING bedeutet hier, Geschlechterdifferenzen als Qualitätsmerkmal der Forschung zu stärken.

Die an die Gesundheit angelehnte Werbung für nichtrezeptpflichtige Medikamente kann „bildlich“ einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung aller Männlein oder Weiblein leisten,im Hinblick auf den GENDER MAINSTREAMING - mäßigen Umbau unserer Gesellschaft, wenn sie sich selbst umstellt.

Einige Beispiele.
ThermaCare erzielt z. B. eine effektive Linderung bei muskulären Rücken-, Nacken-, Schulter-, Armschmerzen, erfahren wir in der TV-Werbung. Eine Frau, die sich den wohltuenden Wärmegürtel angelegt hat, bewegt sich auch behände beim Einkaufen im Supermarkt. Liegt es an der Tatsache, dass meistens Frauen Besorgungen machen, oder warum ist kein Mann als Anwender dieser innovativen Wärmetherapie von Muskel- und Gelenkschmerzen zwischen den Regalen des Supermarkts zu sehen?
Oder: Warum haben nur Männer wieder Freude an Bewegung wenn sie in der TV-Werbung Voltaren schlucken? Können diese so effektiven wie gängigen Schmerztabletten nicht auch Frauen gegönnt werden?
Oder: Meditonsin, ein homöopathisches Mittel, das zur Behandlung von Erkältungskrankheiten angeboten wird. Meditonsin wird in der TV-Werbung von Frauen beworben. Haben Männer keinen Geschmack daran gefunden oder sind sie verunsichert von einer Angabe im Beipackzettel? Das Mittel enthält u. a. Mercurius cyanatus d.h. Quecksilbercyanid.
GENDER MAINSTREAMING bedeutet hier, die Werbung Geschlechter undifferenziert als Qualitätsmerkmal der Produkte zu stärken.

Schon diese einige Beispiele zeigen, dass die GENDER MAINSTREAMING - Strategie keine Frauenbevorzugung / Männerbenachteiligung bzw. Nutzen für weibliche Menschen und Schaden für männliche Menschen zu bedeuten hat. GENDER MAINSTREAMING - Strategie heißt je nach Lebensbereich ein geschlechtsspezifisches Potential zu stärken, bei gleichzeitigem Verständnis für biologische (sexuale) Einflüsse. Trotzdem gibt es viele Vorurteile.
Der Mainzer Kriminologe Michael Block beispielsweise bezeichnet GENDER MAINSTREAMING als ideologisch gut vorbereitete „totalitäre Steigerung von Frauenpolitik“.
Als bestes Gegenargument kann ein Zitat von der Website des Ministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Familie für GENDER MAINSTREAMING im Bereich Mobilität dienen: Frauen verfügen für den alltäglichen Gebrauch wesentlich seltener über ein Auto als Männer. Gleichzeitig haben sie aufgrund der immer noch vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung die Hauptverantwortung für die Koordinierung aller familiären Aktivitäten. Daraus ergeben sich geschlechtsspezifisch unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen z. B. an das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs.

Mobilität -> MÄNNER -> AUTO -> FRAUEN-> ANGEBOTE DES ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHRS
Man kann hier nicht nur keine „totalitäre Steigerung von Frauenpolitik“ lesen, sondern im Gegenteil: eine Männerbevorzugung nebst einer Frauenbenachteiligung.

Derart von GENDER MAINSTREAMING - Gestalter selbst überforderte weibliche Menschen werden wohl den Sinn des Ausdrucks „Helden der Liebe“ vergessen.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die GENDER MAINSTREAMING - mäßig geschulten männlichen Menschen selbst erkennen: Der Kampf zum Überleben ist nur gemeinsam zu gewinnen. Und dann werden sie sich selbst und ihre Partnerinnen als „Helden des geliebten Lebens“ sehen.
Oder sollte unter grammatikalischem GENDER MAINSTREAMING - Aspekt „Heldeninnen“ heißen?