Samstag, 27. Februar 2016

Stein des Anstoßes: Glyphosat im Bier

In TV-Programmen kann man nicht nur Actionthriller, Horrorthriller, Politthriller, Wirtschaftsthriller, Psychothriller, Cyberthriller finden, sondern neulich auch Sendungen mit Themen wie „Skandale der Woche“,  „Schlagzeilen der Woche“ entdecken.
Die Woche 22.02.2016 - 28.02.2016 wird wohl wegen dem 25.02.2016 ihren Ehrenplatz in der Datenbank mit „Schlagzeilen der Woche“ finden. Es ist der Tag an den Schlagzeilen wie „Deutsche Biere mit Glyphosat belastet“, „14 der beliebtesten deutschen Biere mit Glyphosat- Rückständen“, „Glyphosat in deutschen Bieren nachweisbar“  in Print- und Online-Medien, kurz und bündig „Glyphosat im Bier“ in Teletexten zu lesen waren. Googelte man nach „Glyphosat“ erhielt man ungefähr 1.470.000 Ergebnisse  in 0,25 Sekunden – allerdings nicht nur das Bier und den 25.02.2016 betreffend.

Glyphosat
Warum ein so großer Wirbel um den Wirkstoff „Glyphosat“?
Glyphosate sind chemische Verbindungen, bestehend aus Salzen und organischen Verbindungen der früheren phosphorigen Säure, heute „Phosphonsäure“ genannt.
Das vom Agrarkonzern Monsanto 1974 entwickelte Glyphosat ist das am meisten eingesetzte Unkrautvertilgungsmittel weltweit. Im Jahr 2014 sollen allein in Deutschland rund 5.400 t davon auf Äckern und in Gärten verspritzt worden sein.

Quelle:123rf
Schön und gut, aber Rückständen von Glyphosaten in bekanntesten deutschen Bieren?!
DAS DEUTSCHE BIER, dessen Ruf so untadelig ist, weil es nach dem REINHEITSGEBOT gebraut wird.  D. h.: in Deutschland darf Bier nur aus 3 Grundzutaten bestehen: Wasser, Hopfen, Getreidemalz  + Hefe.

Was hat den Stein des Anstoßes namens Glyphosat ins Rollen gebracht?
Mehrere Umstände:
Im März 2015 stufte die Internationale Krebsforschungsbehörde (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Wirkstoff „Glyphosat“ als „wahrscheinlich beim Menschen karzinogen“ ein;
Im Zeitraum 2015 bis Januar 2016 untersuchte das Münchner Umweltinstitut e. V. 14 der bekanntesten (und beliebtesten) deutschen Biersorten. Ergebnissen zufolge waren alle Biersorten mehr oder weniger mit dem Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat belastet. Die gemessenen Werte lagen zwischen 0,46 µg/l und 29,74 µg/l, (1 Mikrogramm (µg) = 1 Millionstel Gramm).


Marke
Geteste Biersorte
Unternehmen
Glyphosatmenge
Hasseröder
Hasseröder Pils
Anheuser-Busch InBev
29,74 μg/l
Jever
Jever Pils
Radeberger Gruppe
23,04 μg/l
Warsteiner
Warsteiner Pils
Warsteiner Gruppe
20,73 μg/l
Radeberger
Radeberger Pilsner
Radeberger Gruppe
12,01 μg/l
Veltins
Veltins Pilsener
Veltins
5,78 μg/l
Oettinger
Oettinger Pils
Oettinger Brauerei
3,86 μg/l
König
König Pilsener
Bitburger Braugruppe
3,35 μg/l
Krombacher
Krombacher Pils
Krombacher Brauerei
2,99 μg/l
Erdinger
Erdinger Weißbier
Erdinger Weißbräu
2,92 μg/l
Paulaner
Paulaner Weißbier
Paulaner Brauereigruppe
0,66 μg/l
Bitburger
Bitburger Pils
Bitburger Braugruppe
0,55 μg/l
Beck's
Beck's Pils
Anheuser-Busch InBev
0,50 μg/l
Franziskaner
Franziskaner Weißbier
Anheuser-Busch InBev
0,49 μg/l
Augustiner
Augustiner Helles
Augustiner Bräu
0,46 μg/l


Das Münchner Umweltinstitut weist allerdings darauf hin, nur eine kleine Anzahl von Proben aus zufälliger Chargen genommen zu  haben, um den Glyphosat - Gehalt zu bestimmen. Daher würden die veröffentlichen Werte lediglich die Belastung der jeweiligen Charge wiedergeben und  keine allgemeine Aussage über die Belastung einer bestimmten Bier-Marke erlauben.

Wie kann denn Glyphosat überhaupt ins Bier kommen?
Brau-Wasser unterliegt der Trinkwasser-VO  und muss in Deutschland einem Grenzwert von 0,1 µg Glyphosat /l Wasser genügen.

Im Hopfenanbau wird Glyphosat zwar eingesetzt, die Pflanzen selbst werden jedoch nicht mit dem Wirkstoff behandelt.

Das Malz wird meist aus Gerste  oder Weizen hergestellt. Im KONVENTIONELLEN Getreideanbau ist zwar der Einsatz von Glyphosat in großen Mengen gang und gäbe. Jedoch bei Getreide, das für Brauzwecke vorgesehen ist, ist es verboten. 
Nebenbei bemerkt: Nutzpflanzen können durch eine ah! so negativ belastete GENTECHNOLOGISCHE BEHANDLUNG resistent gegen Glyphosat gemacht werden -  was  es außerhalb Deutschlands auch passiert.

Die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat auf EU-Ebene endete im Dezember 2015. Sie wurde von den zuständigen Gremien bis Ende Juni 2016 auf europäischer Ebene verlängert. Der Hintergrund: die erneute laufende Prüfung von Glyphosat i. S. d. aktuellen Stands von Wissenschaft und Technik abzuschließen.

Die Debatten sind derzeit voll im Gange.
Für die Prüfung und Neubewertung von Glyphosat hat Deutschland seine Zulassungs- und Bewertungsbehörden:
•    Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) - die koordinierende Behörde
•    Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
•    Das Julius Kühn-Institut (JKI) – ein Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen im Rahmen des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und
•    Das Umweltbundesamt (UBA).
 Quelle: 123rf



Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beispielsweise kam nach erneuter Prüfung seiner Bewertung des gesundheitlichen Risikos zum Ergebnis, dass sich nach dem aktuellen Stand des Wissens bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen ableiten ließe.
Die Menge macht’s -  wie bei anderen Nahrungsmitteln auch. Zu viel des Fleisches ist ungesund, das bedeutet jedoch kein Fleischverzicht. Zu viel des Fettes ist ungesund, das bedeutet nicht Fettverzicht, nicht einmal auf Butter!
„Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1.000 l Bier trinken“, heißt es in einer BfR-Erklärung.

Neben deutschen Experten, haben Experten aus den Behörden der 28 EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) alle Unterlagen geprüft. Das Ergebnis der abschließenden Expertendiskussion war Grundlage der EFSA-Schlussfolgerung, die in Übereinstimmung mit der Einschätzung des BfR steht.
 D. h.:  Glyphosat sei  wahrscheinlich nicht DNA schädigend (genotoxisch) bzw. stelle keine krebserregende Bedrohung für den Menschen dar. Und durch die Einführung einer sogenannten AKUTEN REFERENZDOSIS (ARfD) hat die Behörde die künftige Bewertung potenzieller Risiken durch Glyphosat verschärft.
Bei der ARfD handelt es sich um die auf Basis des Körpergewichts geschätzte Menge einer chemischen Substanz in Lebensmitteln, die über einen kurzen Zeitraum (bei einer einzelnen Mahlzeit / an einem Tag) aufgenommen werden kann, ohne ein GESUNDHEITSRISIKO darzustellen. Die für Glyphosat vorgeschlagene ARfD liegt bei 0,5mg/kg Körpergewicht.
Nun ist auch die WHO gefordert, die unterschiedlichen Bewertungen ihrer Behörde IARC zu überprüfen und ihre Position zum Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat zu erarbeiten.

Quelle:123rf
Das DEUTSCHE BIER  und das REINHEITSGEBOT! Wie der Zufall so will, feierte das Reinheitsgebot dieses Jahr sein 500-jähriges Jubiläum.
Die  vorläufigen Einschätzungen zu Gehalten von Glyphosat in den beliebtesten Biersorten  konnten der traditionellen Starkbierprobe am Nockherberg nichts anhaben.
Vor Beginn der heiteren Stunden wurde auch auf dem Nockherberg 2016 der Anstich vollzogen. Nach dem Anstich übergab der Brauereichef mit den Worten "Salve pater patriae! Bibas princeps optimae!" ("Sei gegrüßt Vater des Vaterlandes! Trinke bester Fürst!") dem Ministerpräsidenten die erste Maß mit der kostbaren Wasser-Hopfen-Malz- Flüssigkeit zum Probieren. Wer würde schon dem eigenen Vater etwas antun wollen?!
Um es mit dem Bayerischen Rundfunk zu sagen:Glyphosat und Malz - Gott erhalt‘s !