Mittwoch, 9. Dezember 2015

A – wie ALARA

Es klingt so melodisch – ALARA!
Dahinter steckt allerdings ein pragmatisches Prinzip, das ALARA-Prinzip, was As Low As Reasonably Achievable bedeutet bzw.  „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“  und zwar bezogen auf Acrylamidgehalte in Lebensmitteln.  Mit anderen Worten:  Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist.

Der Auslöser dieser Maßnahme waren Berichte Schwedischer Wissenschaftler im Jahr 2002 über den Nachweis von Acrylamid in einer Vielzahl von Lebensmitteln.
Untersuchungen in Tierstudien sollen gezeigt haben, dass Acrylamid bei hoher Dosierung im Futter die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Erbgutveränderungen und Tumoren erhöhen würde.

Acrylamid
Diese Erkenntnisse  beförderten Acrylamid allemal in die Klasse der unerwünschten Stoffe in Lebensmitteln.
Die toxikologische Wirkung von  Acrylamid auf den Menschen ist jedoch nicht abschließend geklärt:   Acrylamid gilt nach wie vor als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“, jedoch haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten feststellen können, wie es dem von der  Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Juni 2015 veröffentlichte  Gutachten zu entnehmen ist. 
Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt beim Umgang mit Acrylamid aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes das ALARA-Prinzip.

Quelle:123rf
Zu diesen Lebensmittelgruppen, die potenziell stärker belastet sein und aufgrund ihrer hohen Verzehrshäufigkeit und Verzehrsmenge wesentlich zur  erhöhten Aufnahme von Acrylamid beitragen könnten,  gehören im Wesentlichen verzehrfertige Pommes frites, Kartoffelchips, Brot und trockene Backerzeugnisse, Kaffee, Kekse, Cracker, Knäckebrot und ähnliches (Lebkuchen).

Quelle:123rf
Seit den Berichten schwedischer Wissenschaftler im Jahr 2002  konnten behördliche Anstrengungen  zur Minimierung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln nennenswerte positive Entwicklungen verzeichnen.

Das bereits 2002 vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL gemeinsam mit den Bundesländern, der Wirtschaft und dem Bundesministerium für Landwirtschaft (BMFL)  aus vorsorglichen Gründen des Verbraucherschutzes  entwickelte nationale  ACRYLAMID- Minimierungskonzept führte  im anno Domini 2011 erstmals zur Verabschiedung  der EU-Empfehlung zur Untersuchung von Acrylamid in Lebensmitteln,  mit der Konsequenz, dass europaweit geltende Acrylamid-Richtwerte das Licht der Welt erblickten.
Die Acrylamid-Richtwerte 2011 wiederum wurden durch Empfehlungen des Jahres 2013 aktualisiert.
Diese beinhalten gegenüber der früheren Version bedeutende Änderungen.
So wurden  im Vergleich zu 2011 Richtwerte  einiger Produkte (Knäckebrot, Brot auf Weizenbasis, Frühstückcerealien und Säuglinks- bzw. Kleinkindnahrung) abgesenkt.
Des Weiteren wurden Richtwerte auf weitere Lebensmittelgruppen ausgeweitet, die bekanntermaßen eine erhöhte Acrylamid-Belastung aufweisen. Nun gelten Acrylamid-Richtwerte auch für LEBKUCHEN, Kartoffelpuffer und sonstige Kartoffelsnackprodukte (Kartoffelsticks z.B.)

Quelle:123rf
Die Lebkuchen - die  Renner  der Advents- und Weihnachtszeit, diese süßen Versuchungen mit oder ohne Oblatenunterlage, die aus Massen oder Teigen gebacken werden, und bei denen neben den Hauptzutaten Honig, Mehl, Nüssen und/oder Mandeln eine Vielzahl unterschiedlichsten Gewürzen zur Anwendung kommen.
Die Lebkuchen, die wegen ihren Acrylamidgehalt alle Jahre wieder, und so auch dieses Jahr in die Schlagzeilen kamen. Die Schgzeile 2015 war aber eine beruhigende Schlagzeile:  Lebkuchen enthalten weniger Acrylamid!

So lag der Arcylamidgehalt bei der Hälfte von 450 in den Jahren 2013 und 2014 untersuchten Proben unterhalb von 200 µg/kg, d.h. weit unter dem aktuell geltenden EU-Richtwert von 1000 µg/kg und  auch deutlich unter den  Werten der Jahre 2003 bis 2008 mit 230 bis 430 µg/kg.
Die niedrigsten Acrylamidgehalte mit rund 100 µg/wurden bei "braunen Lebkuchen“ gefunden - ein Zehntel des EU-Richtwertes. In etwa 30 Prozent der Proben lagen die Gehalte sogar unterhalb der Nachweis- bzw. Bestimmungsgrenze.
In etwa 10 Prozent aller Lebkuchenproben wurde der EU-Richtwert überschritten. Dabei handelt es sich oftmals um Spezialitäten, die aufgrund ihrer Herstellung bzw. Rezeptur höhere Acrylamidgehalte aufweisen können. Auch hier konnten die Gehalte jedoch deutlich reduziert werden: Traten noch vor einigen Jahren maximale Acrylamidgehalte von über 5000 µg/kg auf, so lagen die höchsten Werte nunmehr bei etwa 1500 µg/kg.
Wie auch der Honiglebkuchen, dessen hoher Acrylamidgehalt auf den hohen Anteil an Glukose und Fruktose im Honig zurückzuführen ist.

Was hat dazu geführt?
Einen besonders großen Einfluss auf die Acrylamidbildung soll bei Lebkuchen das verwendete Backtriebmittel haben, so die Experten. Zur Herstellung von Lebkuchen wurde traditionell Hirschhornsalz (Ammoniumbicarbonat, ABC-Trieb) verwendet. Durch Verzicht auf Ammoniumsalze und deren Ersatz durch handelsübliches Backpulver oder Natron könne die Acrylamid-Bildung bei der Lebkuchenherstellung deutlich reduziert werden. Außerdem würden zunehmend weichere und feuchtere Lebkuchensorten angeboten, die herstellungs- und rezepturbedingt deutlich niedrigere Acrylamidgehalte aufweisen als trockenere, relativ harte Sorten.

Das ALARA-Prinzip führte dazu, dass auch wichtige Erkenntnisse zu verschiedenen  Zubereitungstechniken und weiteren Faktoren wie z. B. der Auswahl und Lagerung von Rohstoffen gewonnen wurden, was die Lebensmittelindustrie in die Lage versetzt, die Entstehung von Acrylamid weitgehend zu vermeiden oder auf ein Minimum zu beschränken. Denn eine längere Lagerung erhöhe grundsätzlich bei allen potentiell mit Acrylamid belasteten Lebensmitteln die Menge an Vorläufersubstanzen, aus denen Acrylamid entsteht, so die Ernährungswissenschaftler.
Quelle:123rf
Was wünschenswert ist, da in der Advents- und Weihnachtszeit, wie auch in der Zeit davor und danach, nicht nur Acrylamid-haltige Lebkuchen verzehrt werden.Es gibt eineVielfalt anderer Acrylamid-Aufnahmequellen.

 Die behördliche Auswertung der Untersuchungsergebnisse  haben ergeben, dass beispielsweise bei Kleinkindern, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen  frittierte Kartoffelerzeugnisse, Brot, Kekse und andere Produkte auf Kartoffel-oder Getreidebasis  den höchsten Beitrag als lebensmittelbedingte Acrylamid-Aufnahmequelle darstellen. Bei Erwachsenen und älteren Personen kommen zusätzlich Kaffee und Kaffee-Ersatzprodukte hinzu.

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Die Lebensmittelindustrie weiß mittlerweile was sie zu tun hat: Dem ALARA-Prinzip Rechnung tragen.
Nicht umsonst wurden einige Acrylamid-Richtwerte 2011 im Jahr 2013 abgesenkt. Ziel dieser Richtwertabsenkungen war eine verstärkte Durchführung  von Betriebskontrollen, infolge von Richtwert-Überschreitungen und damit verbunden eine verstärkte Umsetzung von Minimierungsstrategien der Lebensmittelhersteller,  die Acrylamidgehalte weiter zu senken.

Wie kann aber einer selbst  seine Acrylamid-Aufnahme reduzieren?
Indem man eine Art  individuelles ALARA-Prinzip berücksichtigt, und zwar die Faustregel „vergolden statt verkohlen“ gelten lässt. Der Hintergrund: das Ausmaß der Acrylamidbildung hängt stark von der Temperatur ab, bei der die Bräunungsreaktion zwischen den Zucker-und Eiweißbausteinen stattfindet: sie beginnt bei 120 °C und steigt bei 170 bis 180 °C sprunghaft an. So gesehen die Empfehlungen:
•    Acrylamidreiche Lebensmittel wie Kartoffelchips, Salzstangen, Erdnuss-Flips. Pommes frites, Cracker, Kekse, Lebkuchen, Knäckebrot, Crunchy-Müsli, Kartoffelpuffer sowie Kaffee, löslichen Kaffee und Getreidekaffee maßvoll verzehren.
•    Schonende Garmethoden wie Dünsten und Dämpfen bevorzugen.
•    Beim Frittieren nicht über 175 °C erhitzen.
•    Beim Braten nach kurzem Anbraten die Temperatur verringern.
•    Beim Backen die Temperatur so niedrig wie möglich wählen, nicht mehr als 180 °C (Umluft) bzw. 200 °C (Ober- und Unterhitze).
•    Besonders wirksam: Das Rauchen aufgeben, denn es ist die größte Acrylamidquelle.

Auch gut zu wissen: die Orientierungshilfe für ein maßvollen Verzehr Acrylamid-haltiger Lebensmittel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat ein interaktives 

BfR-Acrylamidrechenprogramm 

entwickelt, mit dem sich die individuelle mittlere Acrylamidaufnahme pro Tag und Kilogramm Körpergewicht ermitteln lässt. Das Programm berücksichtigt ausgewählte Lebensmittel mit hohen Acrylamidgehalten.
Hierbei sollte laut BfR
Toastbrot nur angeben werden, wenn es vorher getoastet wurde und
Müsli nur,  wenn es geröstet ist, (Knusper-, Granola- oder Crunchy-Müsli).
Das  „Diagramm“ verdeutlicht die prozentualen Anteile der verzehrten Lebensmittel an der Acrylamidaufnahme,
die  „Auswertung“ stellt die eigentliche Auswertung der eingegebenen individuellen Daten dar, (beide unten links).

Das ALARA - Prinzip, As Low As Reasonably Achievable oder  „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“ mit Bezug auf Acrylamidgehalte , steht uns zur Seite.
Einerseits, indem Lebensmittelunternehmen durch ALARA für immer weitere Senkung der Acrylamidgehalte entsprechender Produkte zu sorgen haben, und andererseits, indem der über ALARA  gut informierte heimisch Werkelnde ein paar Tipps beachtet, und so zu hohe Acrylamisgehalte vermeiden kann.
Im Hinblick auf eine möglichst geringe ernährungsbedingte Exposition ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung die teilweise unvermeidliche nahrungsbedingte Aufnahme unerwünschter Stoffe am ehesten auf ein Minimum reduzieren lässt -eine quasi von sich aus Erfüllung des ALARA- Prinzips. 

E I N  U N G E T R Ü B T E S  W E I H N A C H T S F E S T  2015!