Montag, 16. März 2015

“It’s now or never”…

.. ” tomorrow will be too late”, sang einst Elvis Presley. Es war ein Hit.

Das muss sich auch der Altbundeskanzler, Helmut Schmidt,  gesagt haben, bevor er mit seinem Buch „Was ich noch sagen wollte“ auch sagte, was er wollte: Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau.
4 Jahre vor dem einhundertsten Geburtstag  musste es sein, vielleicht weil er von Minderwertigkeitskomplexen geplagt worden ist, nicht dem traditionellen MÄNNLICHKEITsprofil zu entsprechen, das die Gesellschaft von der politischen Führungskaste erwartet: nicht nur unterrichtet, sondern auch unterhalten zu sein.
Jupiter und Semele,Gustave Moreau (1894/95)

Dass sein Vorgänger, Willy Brandt, das Konzept der ehelichen Treue eher locker auslegte, war mittlerweile bis in die Öffentlichkeit durchgedrungen.
Dann waren auch noch seine ausländischen Politikfreunde.
Auch wenn man französischen Journalisten bei Enthüllung frivoler Eskapaden von Politikern eine gewisse Zurückhaltung nachsagt, verhindert dies allerdings  nicht, dass lustige Anekdoten darüber in Umlauf gelangen. 
Marquise de Pompadour, Boucher (1756)
Von Giscard D‘Estaing beispielsweise erzählte man die Geschichte, wie er eines Morgens - auf dem Weg von einem amourösen Rendezvous in den Élysée Palast - in einem geliehenen Ferrari einen Milchlaster rammte. Und François Mitterrand unterhielt sogar eine ganze Zweitfamilie - wie gegen Ende seines Lebens herauskam.
Nach der aktiven Zeit von Helmut Schmidt, war da Jacques Chirac, auch kein Verächter eines Schäferstündchens. Von Bernadette Chirac sagte man, dass sie sich manchmal beim Wachpersonal mit den Worten erkundigte:“ Machen wir es kurz, wo steckt mein Mann heute Nacht?“ 2005 machten die Autoren Christophe Deloire und Christophe Dubois mit derartigen Anekdoten aus ihrem „Sexus Politicus“ einen Bestseller. 
Die neueste Zeit leidet auch nicht unter einem Mangel an brisante Politiker-Affären. Das Geständnis des ehemaligen US-Präsidenten, Bill Clinton, eine „unangemessene Beziehung“ mit der Praktikanten Monica Lewinsky gehabt zu haben - ging um den Globus. Und Italiens Ex-Regierungschef, Berlusconi, stand und steht immer noch  im Mittelpunkt zahlreicher Sexaffären, und, und, und….

Mit dem späten öffentlichen Geständnis eine Geliebte gehabt zu haben,  kann sich nun Helmut Schmidt wieder einmal auf Augenhöhe mit hochkarätigen, eine gleichartige Kollateral-Gesinnung aufweisenden Politikern zusammenfinden.

Nur, dass
„Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht das Gleiche“- wie ein lateinisches Sprichwort sagt.
Mit dem, was er noch sagen wollte,  gestand Helmut Schmidt nun öffentlich eine Geliebte gehabt zu haben. Auch, dass seine Frau, in Kenntnis des Verhältnisses, ihm die vollkommene Freiheit angeboten habe, die Scheidung. Sein „Zuhause“ - wie seine Frau sich selbst nannte - für immer verlassen zu müssen?  Fassungslos soll er dabei gewesen sein, zitiert STERN aus dem Buch.

Ein Hauch von Sentimentalität bei dem ansonsten 100% Pragmatiker?
Vielleicht zu vermuten, wäre es nicht - noch vor dem Geständnis - durch die in einem Buch des ehemaligen Redenschreibers Willy Brandts veröffentlichten ERINNERUNGEN samt einem Interview desselben, dem mehr oder weniger breiten Publikum das wohl behütete Geheimnis einer Beziehung von Helmut Schmidt zu einer anderen Frau bekannt geworden.  So war es auch zu erfahren, dass Helmut Schmidt beim Beginn der Kanzlerschaft ohne Rücksicht auf Verluste das Verhältnis beendete, mit der Begründung, ein Regierungschef könne sich keine Affäre leisten. 

Vor diesem Hintergrund ist das öffentliche Geständnis von Helmut Schmidt kein sentimentaler Rückblick auf die vielen Jahre mit seiner Frau und auf ein paar davon, die er mit dem Spaß und der Freude an der erträglichen Leichtigkeit des Seins vervollkommnet hat.
Obwohl zeitlich etwas ungenau ausgedrückt - irgendwann Ende der 60-er oder Anfang der 70-re Jahre - fasst das gefühlsUNbetont gehaltene Geständnis sachlich die an und für sich bekannte Hintergründe der Beziehung zusammen, nämlich
Punkt 1:Die Beziehung zu der anderen Frau nahm ihren Anfang vor Beginn seiner Kanzlerschaft und sie endete mit dem Beginn seiner Kanzlerschaft, was logischerweise zu
Punkt 2: keine (etwa Image schädigende) Scheidung
führt.
Cleopatra und Marcus Antonius
Damit ist nicht nur ein etwaiger Hauch von Sentimentalität von Helmut Schmidt entwichen. Damit ist auch der Verdacht auf einen vermeintlichen Minderwertigkeitskomplex als Auslöser seines Geständnisses endgültig vom Tisch - dem MÄNNLICHKEITsprofil  eines Politikers im professionellen Politikbetrieb nicht gewachsen gewesen zu sein. Denn, wie die anderen, hatte er es auch getan, war aber auch in dieser Situation imstande, seine Unabhängigkeit zu behaupten und konsequent politische Ziele zu verfolgen.

“It’s now or never”
” tomorrow will be too late”… wie auch… “I'd spend a lifetime waiting for the right time”, singt Elvis Presley.
Analogerweise: He had spent a lifetime waiting for the right timeIt was now the right time, um zu sagen, was er noch sagen wollte. And tomorrow is without significance, ohne Bedeutung, weil  künftige Interviews, Talk Shows, Printmedien oder digitale Medien, die das Thema aufgreifen, haben sich an das von ihm öffentlich Gesagte zu richten, und können nicht mehr um den Brei herum reden oder etwaige Neues hinein interpretieren.

Schon ein paar Tage nach dem  bekannt gewordene Geständnis, fand sich Helmut Schmidt auf dem Boden aktueller Tatsachen wieder, (sollte er überhaupt diesen Boden auch nur vorübergehend verlassen haben). Er warnte sie alle, die es eigentlich wissen sollten, vor gewaltigen Abschreibungen im Falle eines Grexit.

Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass  alles beim Alten bleibt, dass der alte Pragmatiker Helmut Schmidt kein sentimentaler Helmut Schmidt geworden ist.
Nichtsdestotrotz: wenn von manchen bewundert, beliebter soll seinerzeit Willy Brandt und nicht Helmut Schmidt gewesen sein, Willy Brandt, der Kenner der galanten Zeiten, weltmännisch, geistreich, leicht frivol. Wie schon gesagt,
„Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht das Gleiche“.