Montag, 2. Dezember 2013

Auf die Lebkuchen, fertig, los

Sie kommen wieder in der Advents- und Weihnachtszeit, wir sehen sie und erlegen der Versuchung: Die Lebkuchen.

Es sind diese süßen Erzeugnisse mit oder ohne Oblatenunterlage, die aus Massen oder Teigen gebacken werden, und bei denen neben den Hauptzutaten Honig, Mehl, Nüssen und/oder Mande eine Vielzahl unterschiedlichsten Gewürzen zum Einsatz kommen.

Nürnberger Oblatenlebkuchen
Der weltweit bekannteste Nürnberger Lebkuchen zeichnet sich durch besondere Qualitätsmerkmale aus: ein hoher Anteil von Mandel- und Nusskernen und eine geringe Zugabe von Mehl oder sogar der völlige Verzicht darauf. Und der prominenteste Vertreter im Nürnberger Lebkuchen-Sortiment, der Elisen-Lebkuchen, muss eine besondere Zusammensetzung mit mindestens 25% Mandeln, Haselnüssen oder Walnüssen aufweisen und max. 10% Mehl oder 7,55 Stärke enthalten.

Nun prominent oder nicht, es geht um Honig, Zucker, Fett, Schokolade, Nüsse -wahre Kalorienbomben! Gewissensbisse?
Abgesehen von Bitterschokolade oder Magermilchschokolade stecken in Schokolade je nach Sorte zwischen  477 und  546 kcal pro 100g.
Der Nürnberger Lebkuchen weist dagegen lediglich 385 kcal/ 100g auf, der Elisen-Lebkuchen 410 kcal/100g. Sogar Lebkuchen mit Schokolade hat immer noch nur 463 kcal/100g.

Cumarin
Und die Gewürzen in Lebkuchen! Ohne Bedenken?
Unter den verwendeten Gewürzen ist Zimt ein fester Bestandteil von Weihnachtsgebäck, wie auch dem Lebkuchen. In verschiedenen Zimtsorten kommt ein Aromastoff, Cumarin, in unterschiedlichen Mengen vor. Dabei ist im Wesentlichen zu unterscheiden zwischen dem milden Ceylon-Zimt und den Cassia-Arten, die höhere Mengen an Cumarin enthalten.
Aus der arzneilichen Anwendung von Cumarin ist bekannt, dass bereits relativ niedrige Dosen bei empfindlichen Personen Leberschäden verursachen können.
Dies berücksichtigend wurden für zimthaltige verzehrsfertige Lebensmittel sogenannte TDI-Werte („tolerable daily intake“= tolerierbare tägliche Dosis) eingeführt. Der TDI-Wert bedeutet diejenige tolerierbare Menge eines Wirkstoffs, die für einen Menschen bei lebenslanger täglicher Aufnahme als gesundheitlich unbedenklich gilt.
Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sei der TDI-Wert von 0,1 mg pro kg Körpergewicht, der ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, weiterhin gültig.
Seit Januar 2011 gelten in der Europäischen Union (EU) neue Höchstgehalte für Cumarin in
verzehrsfertigen Lebensmitteln. Aber auch wenn diese neuen EU-Höchstgehalte ausgeschöpft werden sollten, seien nach der Europäische Behörde Überschreitungen des TDI-Werts nur möglich, wenn täglich große Mengen an zimthaltigen Lebensmitteln verzehrt werden. Bei Kleinkindern mit einem Körpergewicht von 15 kg wäre der TDI-Wert bei 30 g Zimtsternen (ca. 6 kleine Zimtsterne) oder 100 g Lebkuchen täglich ausgeschöpft.
Das BfR rät nach wir vor zum maßvollen Verzehr von Cassia-Zimt mit hohen Cumaringehalten. Verbraucher, die viel Lebkuchen verzehren (oder grundsätzlich große Mengen an Zimt verwenden) sollen auf cumarinarmen Ceylon- Zimt ausweichen.

Acrylamid
Lebkuchen sind nun mal Backwaren. Und die Welt der Backwaren wird seit 2002 von dem Begriff „Acrylamid“ erschüttert. Seit diesem Zeitpunkt bleiben Schlagzeilen nicht mehr aus: von "Gift im Lebkuchen" über "Acrylamid im Weihnachtsgebäck- nur einzelne Ausreißer" bis "Lebkuchen -  Entwarnung in Sachen Acrylamid".
10 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln gilt zwar Acrylamid als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“. Jedoch haben Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten feststellen können. Solange aber das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, ist aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes der Gehalt an Acrylamid in Lebensmitteln so niedrig wie möglich zu halten.
In Deutschland galt seit 2002 ein vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) entwickeltes Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen Signalwerten. Diese wurden im Januar 2011 für die meisten Lebensmittelgruppen von europäischen Richtwerten abgelöst.
Für Waren, für die in der Kommissions-Empfehlung keine Regelungen getroffen worden sind, gelten die nationalen Signalwerte weiterhin. So für Lebkuchen der Signalwert von 1000 µg/kg.

Wie schon in den Vorjahren, wurde auch in der Vorweihnachtszeit 2012 am Chemischen  und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart, Lebkuchen und Spekulatius auf Acrylamid untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung von 49 Stichproben: Es gebe große Schwankungen im Acrylamidgehalt. Während die meisten Proben erfreulich niedrige Gehalte aufwiesen wurde bei 4 Proben Lebkuchen der aktuelle Signalwert für Acrylamid überschritten.
Die Tests zeigen allerdings eine deutliche Tendenz: Die Acrylamid-Belastung sei im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Wie neueste Untersuchungen des CVUA belegen, dürfte der Grund für das seltener Vorkommen hoher Acrylamidgehalte in Lebkuchen (Weihnachtsgebäck) darin zu sehen sein, dass  die Industrie und das Bäckerhandwerk auf die Verwendung von Hirschhornsalz als Backtriebmittel weitgehend verzichten.

Lebkuchen  wie auch Spekulatius sind nun mal  „Bestseller“ in der Weihnachtszeit, ihre häusliche Zubereitung hat auch Hochkonjunktur. Diesen fleißig Werkelnden steht CVUA zur Seite, indem es Tipps zur Vermeidung zu hoher Acrylamidgehalte beim Backen gibt:
•    Weizenmehle bilden tendenziell weniger Acrylamid als Roggenmehle; Weißmehle  (z.B. Type 405 oder 550) bilden tendenziell weniger Acrylamid als Vollkornmehle.
•    Beim Stehenlassen der Teige erhöht sich die Menge an Vorläufersubstanzen, aus
denen Acrylamid entsteht. Deshalb sollten die Teige nach der Herstellung nur so lange ruhen,
wie unbedingt nötig.
•    Auch die Backtemperatur und die Backdauer wirken sich auf den Acrylamidgehalt aus. Deshalb bei möglichst niedriger Temperatur backen. Da jeder Backofen andere Eigenschaften aufweist, können hier keine allgemeingültigen Temperaturempfehlungen gemacht werden. In vielen Fällen dürften aber bei 180°-190°C (ohne Umluft), bzw. 160°-170°C (mit Umluft) gute Ergebnisse zu erzielen sein.
•    Sie sollten auch darauf achten, dass das Gebäck im Innern nicht völlig austrocknet, denn gerade dann lauern erhöhte Acrylamidwerte.
•    Die wichtigste Rolle für die Bildung von Acrylamid spielt aber das Triebmittel, das für
das Aufgehen des Teiges und für eine schöne Porenbildung sorgt.
•    Zur Herstellung von Lebkuchen wird traditionell Hirschhornsalz (Ammoniumbicarbonat, ABC-Trieb) verwendet. Durch das Hirschhornsalz bekommt der Lebkuchen seinen besonderen
Geschmack. Leider wird ausgerechnet dadurch auch die Bildung von Acrylamid sehr stark gefördert. Wenn es geschmacklich möglich ist, sollte man daher auf Hirschhornsalz (ABC-Trieb) völlig verzichten und stattdessen Natron (Natriumbicarbonat) oder  Backpulver verwenden.
•    Bei Verwendung von Backpulver oder Natron kann in der Regel auf den Zusatz von Pottasche (Kaliumcarbonat) verzichtet werden.
•    Es gibt auch spezielle Lebkuchenteige mit einem beträchtlichen Anteil an Kartoffeln. Bei solchen Kartoffellebkuchen ist Hirschhornsalz unbedingt zu vermeiden, sonst sind extrem hohe Acrylamidgehalte vorprogrammiert.
hohe Acrylamidgehalte vorprogrammiert.
Zum Schluss noch ein weiterer Tipp
Mandeln enthalten größere Menge an Asparagin, eine Aminosäure, die beim Erhitzen
Acrylamid bildet. Deshalb sollte man beim Rösten von Mandeln folgendesbeachten:
•    Mandeln sollten nur leicht geröstet werden, sie sollten nicht dunkelbraun werden.
•    Versuche haben zudem gezeigt, dass es besser ist, die ganzen Mandeln zu rösten
und sie erst danach zu zerkleinern. Beim Rösten von gemahlenen Mandeln, Mandelstiften und Mandelblättchen entsteht deutlich mehr Acrylamid, als beim  Rösten von ganzen Mandeln.

Fazit: Ein gutes Lebkuchen-Naschen mit Augenmaß und einer ungetrübten Weihnachtszeit steht nichts mehr im Wege. Man hat die Kalorien weitgehend im Griff, denn  es  müssen nicht täglich 100 g Lebkuchen sein. Der Verzehr zu hoher Mengen an Aromastoff Cumarin mit dem Zimt ist vermeidbar,  wie auch der Gehalt an Acrylamid steuerbar.
Also, ohne Gewissensbisse und als gut informierter Verbraucher unbeeinflusst von manchen medialen Widersprüchen: Auf die Lebkuchen, fertig, los!