Was haben 27 Staaten noch gemeinsam, außer ihrer Lage auf demselben Kontinent und trotz unterschiedlicher Sprachen, historischer Entwicklung und Traditionen? Den Pferdefleischskandal!
Er ist zufällig, aufgrund einer Routineuntersuchung im Norden des Kontinents (Großbritannien) ausgebrochen. Initialzündung soll aber die Lieferung von gefrorenem Pferdefleisch aus SO (Rumänien), durchgeführt über Handelsfirmen aus dem S (Zypern) und N (Niederlande) nach SW (Frankreich), an einen fleischverarbeitenden Produzent gewesen sein - denjenigen, dem der französische Verbraucherschutzminister den „faux pas“ zutraut = das Abgleiten in das profitable Täuschungsmanöver mit falschem Rindfleisch. Von SW soll das rindfleischhaltige Fleisch den N (Luxemburg) erreicht haben, von wo aus die Tochterfirma einer Holding die Produkte in 16 Ländern vertrieben habe.
Auch in Fertigprodukten deutscher Hersteller seien mittlerweile Spuren bis Beimischungen von Pferdefleisch gefunden worden - in Produkten auf dem deutschen aber auch grenzüberschreitenden Markt. So soll beispielsweise einer Meldung zufolge Tortellini-Rindfleisch mit nicht deklariertem Pferdefleisch eines deutschen Herstellers etwas südlich, nach Liechtenstein, geliefert worden sein.
Und nach (vorläufig) letzter Meldung soll auch der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé nun Anteile an „falschem Rindfleisch“ in seinen Tiefkühlprodukten entdeckt haben. Es soll sich um Zulieferungen aus Deutschland handeln. Im S, in Italien und Spanien habe man aus diesem Grund zwei Nudelprodukte vom Markt genommen.
Je mehr Hersteller hinzugekommen sind, desto mehr erweiterten sich die Rückrufaktionen, in Deutschland und europaweit. Betrafen diese ursprünglich ein Fertiggericht wie Lasagne, erweiterten sie sich in kurzer Zeit auf Ravioli, Tortellini, Spaghetti Bolognese, Chili con carne, Gulasch, sogar Döner.
Das Pferdefleisch an sich ist nicht gesundheitsschädigend, wie immer wieder in den Medien betont wird. Es ist ein fettarmes Fleisch, hat einen doppelt so hohen Gehalt an Eisen als das Rindfleisch.
Pferdemetzgerei Pezenas / Languedoc |
Genießer eines wahren Rheinischen Sauerbratens können ein Lied davon singen.
Wenn auch nicht gesundheitsschädigend bleibt der EU-weite Pferdefleischskandal eine Verbrauchertäuschung. Bei diesem grenzüberschreitenden Fall wird es allerdings schwer festzustellen, wer, wo, wann die falsche Etikettierung vorgenommen hat, um vorzugeben, das Produkt sei etwas anderes, als es tatsächlich ist. Hinzukommt, dass nach geltendem EU-Recht das Anbringen einer Herkunftskennzeichnung auf eine Verpackung für Zutaten im verarbeiteten Fleisch nicht vorgesehen ist.
Der Skandal erschüttert die EU. Der Kampf gegen die im Dunkeln wird mit drastischen Mitteln ausgetragen.Um dem gewerbsmäßig und grenzüberschreitend organisierten, betrügerischen Handel Einhalt zu gebieten, haben Experten aller EU-Mitgliedstaaten einen Aktionsplan beschlossen. EU-weit soll durch DNA-Tests dabei ermittelt werden, in welchen rindfleischhaltigen Produkten auch Pferde-fleisch verarbeitet wurde, obwohl es nicht auf dem Etikett angegeben war, (und obwohl eine dies bezügliche Kennzeichnungspflicht nicht besteht?)
Da in Proben von in Großbritannien geschlachteten Pferden Phenylbutazon gefunden wurde, sollen die Proben laut EU-Aktionsplan auch auf Rückstände dieser Substanz geprüft werden. Es handelt sich um ein Tierarzneimittel, das bei Pferden, die für die Fleischverarbeitung vorgesehen sind, nicht einge¬setzt werden darf, (wie auch keine Antibiotika bei Rindern, Schweinen, Hühnern!). Der EU- Aktionsplan zur Untersuchung von Pferdefleisch soll bis Ende März abgeschlossen sein.
Zudem einigten sich in Deutschland die Verbraucherminister der Länder und des Bundes auf einen Nationalen Aktionsplan, der unter anderem eine konsequente Umsetzung des EU-Aktionsplans und ein erweitertes Untersuchungsprogramm für Deutschland vorsieht.
Die Umsetzung des Aktionsplans in die Praxis - eine zusätzliche und wünschenswerte Gemeinsamkeit der 27 EU-Mitgliedsstaaten - erfordert nicht nur Worte, sondern auch Taten. Aber die Taten sind nicht umsonst. Sie verlangen die Fähigkeit zu Leistung, Entschlossenheit, Ausdauer. Wie heißt es doch gleich?
- Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach -
Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen.
Auch eine erweiterte Herkunftskennzeichnung für Zutaten im verarbeiteten Fleisch, wie im Aktionsplan vorgesehen, kann nicht weiter helfen, wenn nicht drin ist, was drauf steht.
Dafür aber ein Frühwarnsystem, wie das System, das z.Z. im Rahmen des Deutschen National Aktionsplans geprüft wird.
Das wissenschaftsbasierte Frühwarnsystem soll das Übel an der Wurzel packen, indem es ermöglicht, die in Bereicherungsabsicht rechtswidrig vorgenommenen Täuschungshandlungen zu erkennen. Damit könnten Überwachungsbehörden frühzeitig aufkommende Gefahren - Täuschung, Gesundheitsgefährdung - erkennen und gefährdete Verbraucher möglichst schnell darüber informieren.
Nur nicht die Hoffnung aufgeben.