Montag, 21. Januar 2013

Nährstoffcocktails : des Guten zu viel?

Aktuelle Diskussionen auf dem Lebensmittelmarkt werden durch Lebensmittel mit besonderem Gesundheitsaspekt beherrscht.
Diese sogenannten  „Health Claims“ - nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln - werden in der Regel zu Werbezwecken benutzt.

Am 25. Mai 2012 hat die EU-Kommission die seit Jahren geplante Health Claims-Verordnung verabschiedet, mit einer Liste zugelassener Gesundheitsangaben für Lebensmittel.  Sie enthält (bislang) 222 gesundheitsbezogenen Aussagen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, als wissenschaftlich belegbar eingestuft wurden.
Die zugelassenen Aussagen dürfen künftig auf jedes Lebensmittel-Etikett, vorausgesetzt die gesetzlichen Anforderungen nach der Verordnung  EU Nr. 432/2012 sind erfüllt - das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt.

Alle abgelehnten Gesundheitsangaben mussten bis 14.12.2012 von den Verpackungen und aus der Werbung verschwunden sein. Eine Ausnahme gilt für angemeldete, aber noch nicht abschließend geprüfte Claims. Deren Schicksal soll im Laufe des Jahres 2013 beschieden werden.

Mit der nun im Dezember 2012 i. Kr. getretenen Verordnung sollen wir, die Verbraucher, vor Irreführung geschützt werden und eine Möglichkeit haben, uns eigenverantwortlich für eine gesunde und ausgewogene Ernährung entscheiden zu können.

Die heutigen Verbraucher sind gut informierte, ernährungsbewusste Individuen. Und trotzdem können wohl nur wenige von sich sagen, immer gesund und abwechslungsreich zu essen. Da kommen Lebensmittel mit einem Nährstoffcocktail aus nun wissenschaftlich verbrieften gesundheitsnützlichen Zutaten gerade recht, um für den gewünschten Ausgleich zu sorgen.
Und tatsächlich! Laut Umfragen soll fast jeder zweite Deutsche mehrmals im Monat Lebensmittel kaufen, die einen wirklichen oder (bis jetzt) angeblichen gesundheitlichen Zusatznutzen haben. Zwei Drittel seien bereit, dafür auch mehr zu zahlen.

Zugelassen wurden überwiegend Aussagen zu gesundheitlichen Wirkungen von  Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen, essentiellen Fettsäuren und  Phytosterinen /Pflanzensterinen.

Inwiefern der gut informierte Verbraucher tatsächlich die zugelassenen und im Grunde bekennten Claims als Aufdrucke auf den Verpackungen und in Werbespots  richtig „auslegen“ kann, um zu bewerten, wie mit vielen verschiedenen Stoffen angereicherte Lebensmittel wirken und wie er sich von eventuellen negativen Folgen dieser Nährstoffcocktails schützen kann, steht auf ein anderes Blatt.  

Denken wir an das Vitamin C. Seine gesundheitsbezogene Wirkung ist seit langem bekannt  Jedes Kind weiß, wie wichtig Vitamin C für den Organismus ist.
Nehmen wir mal an, eine Zucker- Bombe (Kakaopulver, Pudding) wird mit einem Vitamin C-Zusatz i. S. d. Verordnung veredelt. Die Bombe wird dadurch zu einem wahren gesundheitsnützlichen Geschoß. Der Hersteller kann sie mit einer Fülle von Claims werben:  gut für das Immunsystem, Haut, Knorpel, Nervensystem, Stoffwechsel, Zähne, Zahnfleisch, schützt vor freien Radikalen und die Seele kommt auch nicht zu kurz dabei.
Oder: Es gibt  viele Lebensmittel, die neben anderen Vitaminen auch mit synthetischer Folsäure angereichert sind.
Auf dem Markt werden zahlreiche, mit synthetischer Folsäure (einem lebenswichtigen B-Vitamin) angereicherte Produkte angeboten. So z. B. Getränke, Mehl, Backmischungen.
Nicht nur, dass durch die Kombination dieser Lebensmittel ein unbeabsichtigter Nähstoffcocktail mit mehr oder weniger bekannten Folgen entstehen könnte. 
Wer häufig Lebensmittel mit synthetischer Folsäure konsumiert, der riskiert unter Umständen eine Folsäure - Überversorgung und bringt seinen Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht. Eine Studie des Max-Rubner-Instituts zeigte, dass bereits 3 Gläser (600ml) eines frisch abgefüllten Multivitaminsaftes ausreichen, um die tolerierbare Tageshöchstmeng für Folsäure von 1.000 µg zu überschreiten.

Zwar ist bekanntlich die Unterversorgung mit Folsäure problematisch, jedoch wird auch die Überversorgung seit einigen Jahren kritisch gesehen. Nicht abschließend ist zurzeit die Rolle der Folsäure im Zusammenhang mit Herz-Kreislauferkrankungen und bestimmten Krebsarten, so das Bundesamt für Risikobewertung, BfR.

Margarine, Milch- und Joghurterzeugnisse, käseartige Erzeugnisse sind nur ein paar Beispiele einer weiten Palette von Lebensmitteln auf dem Markt, denen  Pflanzensterine zugesetzt wurden.
Auf die cholesterinsenkende Wirkung dieser Lebensmittel dürfen Hersteller sowohl auf Verpackungen als auch im Fernseh- und Rundfunkspots hinweisen.
 Diese Aussage ist übrigens eine der wenigen, die die EFSA als Health Claim wegen eindeutig nachgewiesener Wirkung abgesegnet hat. Darüber hinaus haben andere BEHÖRDEN weltweit die Sicherheit von Pflanzensterinen beurteilt und deren Verzehr als sicher bewertet, wie die FDA in USA. Außerdem sind Pflanzensterine inzwischen auch Teil der Ernährungsempfehlungen der American Heart Association und anderer internationaler Fachgesellschaften.

Nach der Health-Claims- Verordnung müssen nun Lebensmittel mit Pflanzensterin-Zusatz besonders gekennzeichnet werden. So u. a., dass mit Pflanzensterinen angereicherte Lebensmittel
nur von Erwachsenen mit erhöhten Cholesterinwerten verzehrt werden sollten, und ein täglicher Verzehr auf 3 g Pflanzensterine zu begrenzen sei. Nichtsdestotrotz zeigt eine deutschlandweite repräsentative Befragung der Verbraucherzentralen und des BfR, dass die Kennzeichnung alleine nicht ausreicht. Denn diese Produkte werden regelmäßig auch von gesunden Erwachsenen verzehrt. Selbst Vorschulkinder machen da keine Ausnahme.
Ein Problem ist auch, dass durch den kombinierten Verzehr von beispielsweise Brot mit Käse und einem Joghurtdrink die empfohlene Menge von 3 g  pro Tag schnell überschritten werden kann.
Und eine niederländische Studie soll darauf hingewiesen haben, dass die Aufnahme von Pflanzensterinen für gesunde Personen, die Pflanzensterin-haltige Lebensmittel in höheren Mengen und über einen längeren Zeitraum zu sich nehmen, möglicherweise mit kardiovaskularen Risiken verbunden ist.

Ein Paradebeispiel für kontroverse Diskussionen hinsichtlich etwaiger Nebenwirkungen  in Verbindung mit dem Verzehr von Pflanzensterin- haltigen Lebensmitteln stellt die Margarine der Marke Becel  pro.activ dar.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat gegen eine Aussage des Herstellers aus dem Jahr 2011 geklagt.  Dieser hatte in einer Pressemitteilung erklärt, aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keinen Hinweis, dass der Verzehr von mit Pflanzensterinen angereicherten Produkten mit Nebenwirkungen in Verbindung zu bringen sei. Vor Gericht verwies er auf einen Health Claim, den die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits 2000 Becel pro.activ erteilt hatte. Damit sei die Unbedenklichkeit der Margarine behördlich bestätigt.
Mit dem Urteil Ende 2012 entschied das Landgericht Hamburg,  der Hersteller darf weiter behaupten, es gebe keine Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken seiner Margarine. Diese Aussage wertete das Gericht nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung, die im Prozess gar nicht geprüft wurde.

Damit steht fest:  schon wenige Beispiele zeigen, dass der Verbraucher aufgrund unzähliger Möglichkeiten und Verflechtungen im Zusammenhang mit gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel überfordert wird.Wann die Grenzen zwischen Erlaubten auf dem Gebiet der Lebensmittel mit gesundheitsbezogenen Aussagen überschritten werden, ist eine Sache der Auslegung. Der lebensmittelrechtlich fundierten Auslegung. Es ist Sache der Rechtsprechung und nicht die der Verbraucher - mögen sie auch so gut informiert sein.

Als ein Quantum Trost kann nur ein Quantum Verstand dienen: auf die WAHREN Nahrungsmittel zugreifen, mit ihren guten, naturbelassenen Nährstoffcocktails, bestehend aus etwa 40 VITALEN Inhaltsstoffen. Ein Schuss „10 Regeln“ der DGE dazu, für den gesunden vollwertigen Genuss. Sie sind für alle Verbraucher schnell  nachvollziehbar und individuell bedingt veränderbar.

Und für den Fall des Falles können Nahrungsergänzugsmittel, die Ware-Nahrung in Form von Kapseln, Pastillen, Tablette Abhilfe schaffen. Zusätzlich zu den durch die Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung vorgeschriebenen Angaben, müssen sie Angaben über die empfohlene tägliche Verzehrmenge tragen, sowie einen Warnhinweis, dass diese Menge nicht überschritten werden darf.