Dienstag, 28. August 2012

Spannung auf dem IGeL- Markt


Selbstmanagement in  Sache Gesundheit und  Selbstverpflichtung zum klimabewussten Verhalten in Bezug auf Lebensmittel  kennzeichnen hauptsächlich  den Weg einer gesunden uns nachhaltigen Lebensführung. Weil Gesundheit nichts anderes ist als die Fähigkeit des Individuums, die eigenen Gesundheitspotenziale auszuschöpfen und auf die Herausforderungen der Umwelt zu reagieren, (WHO Definition:1988).
Leider machen sich im Lebensführungs-Dickicht nicht nur die Ernährung oder der CO2- Fußabdruck bemerkbar, sondern eine Vielzahl weiterer unwägbarer Einflüsse und anderer umweltrelevanten Aspekte.
Es kann sich um einen krankmachenden Reiz handeln, der im Organismus zu Störungen der normalen Lebensvorgänge führt. Diese Störungen sind mit einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit und meist mit wahrnehmbaren Veränderungen des Körpers verbunden. Kurz, es geht um mehr oder weniger schwere Krankheiten. Bei ihrer bestmöglichen ärztlichen Versorgung spielt neben Diagnose und Therapie die Früherkennung eine bedeutende Rolle.

Damit betreten wir den IGeL-Markt. Denn zu den am häufigsten angebotenen IGeL gehören sogenannte Vorsorge- oder Früherkennungs-Untersuchungen und jede fünfte angebotene IGeL ist ein Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung, die sonographische Ovarialkarzinom-Prophylaxe.  Das ist die (Dienst)Leistung, die neuerdings für erhebliche Verunsicherung  auf dem IGeL-MARKT sorgte.   

Die Entscheidung des Versicherten als Konsument einer Leistung des IGeL-Markts  wird möglicherweise von  widersprüchlichen Ansichten und Einsichten verschiedener Akteure auf dem IGeL-Markt beeinflusst. Maßgeblich ist aber der Arzt.
Nun hat die Verbraucherzentrale NRW mehreren Frauenärzten vorgeworfen,  ausdrückliche Empfehlungen für den Ultraschall der Eierstöcke zu machen oder sie als „einzige sinnvolle Leistung“ zur Krebsvorsorge zu bewerben. Die „Meister des Verkaufs“ wurden abgemahnt. Durch die Abmahnung sollen sie gezwungen werden, derartige Werbeaussagen zu unterlassen.

Denn einen sicheren Nachweis, dass die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke bei der Krebsfrüherkennung nützlich ist, fehle noch. Dies hatte Mitte letzten Jahres eine Studie des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation ergeben. Die Studie zeigt, dass Krebs im Frühstadium mit dem Ultraschall nicht häufiger festgestellt werde als ohne diese Untersuchung, Die Wissenschaftler fanden auch keinen Beleg dafür, dass eine frühe Behandlung die Sterblichkeit senken könne oder mit einer höheren Lebensqualität zu rechnen sei. Mit Ultraschall sollen zudem oft Auffälligkeiten entdeckt werden, bei denen nicht sicher ist, ob es sich um Krebs handelt. Dann sind weitere Untersuchungen notwendig, meist ein operativer Eingriff, jedoch nur bei 5% der operierten Frauen soll dann Krebs gefunden worden.

Basierend auf dieser Studie bleibt die GKV bei ihrer Einschätzung, dass durch  „ein jährliches Abtasten ab dem 20. Lebensjahr“  die „fünfthäufigste Krebstodursache bei Frauen“- so die Ärzteschaft – rechtzeitig erkannt werden kann. Und der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung wird im Igel-Monitor mit „negativ“ bewertet. Das bedeutet, dass der Schaden dieser IGeL deutlich höher als ihr Nutzen sei.

Andererseits  sagen nicht nur niedergelassene Ärzte, sondern auch Universitäts-Frauenkliniken, dass der Ultraschall der Eierstöcke eine der wichtigsten Untersuchungsmethode darstelle. Moderne Geräte mit hoher Bildauflösung ließen  häufig einen relativ sicheren Schluss zu. Zur Erhärtung oder zum Ausräumen eines Verdachtes stünden dann weiterführende Methoden zur Verfügung.  Bei deren Einsatz ginge es im Wesentlichen darum, den Verdacht der Bösartigkeit zu belegen oder auszuräumen.

Ja, was nun, wenn GKV-Patientin, gegen Bares in einer Höhe zwischen 16 und 31€ gefühlte Privatpatientin, die  Möglichkeit zum Ultraschall mit Farbdoppler und Duplex-Sonographie ggf. weiterführende Methoden im Fall eines bösartigen Verdachts in Erwägung ziehen, oder als bewusste GKV-Patientin weiterhin nur der Tastuntersuchung vertrauen – als die einzige medizinisch sinnvolle Früherkennung -Möglichkeit?
In dieser hitzigen Atmosphäre dann die Nachricht:  das Bundeskabinett hat die Verbesserung der Krebsvorsorge beschlossen. Mit dem am 22.08.12 verabschiedeten Gesetzentwurf sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Früherkennung und der Qualität in der onkologischen Versorgung auf den Weg gebracht werden.
Künftig sollen die Versicherten umfangreicher zur Früherkennung eingeladen werden.
Neben diesen Einladungen sind in allen Krankenhäusern zur Verbesserung der Datenlage einheitlich gestaltete Krebsregister einzurichten. Diese Register, die Daten der Patienten zur Diagnose, Behandlung, Nachsorge und Rückfällen erfassen, sollen  dann  miteinander verglichen werden können. 


Gemäß den Neuregelungen entstünde für die Versicherten kein finanzieller Druck, beispielsweise in der Art von finanziellem Anreiz oder  Genuss geringerer Zuzahlungen für Medikamente bei regelmäßiger Teilnahme an Krebsfrüherkennung -Untersuchungen. 
Bei dem „richtungsweisenden“ Gesetz setzt der Bundesgesundheitsminister auf Freiwilligkeit. So müsse der Einzelne frei entscheiden können, ob er die Früherkennung für sinnvoll halte.


Künftig soll es also per Gesetzt Fortschritte bei der Therapie und Früherkennung geben.
Was aber wenn durch eine Früherkennungsmaßnahme  weiterhin etwas entdeckt werden kann, was gar nicht schlimm sein muss , jedoch Folgeuntersuchungen oder sogar einen (unnötigen?) Eingriff nach sich zieht? Weitere Studien  zur Nutzen-Schaden-Bilanz sind unerlässlich.
Zudem müsse die (Dienst)Leistung nach wie vor dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen.  Aber  vielleicht gelangt man nach Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag zum Gebot einer gemischten Wirtschaftlichkeit, so z. B. wie Kosten der aufgeklärten Straftat die Kostenwirksamkeit ergeben, so könnten auch die Kosten der gegebenen Möglichkeiten in der Behandlungsrealität im Verhältnis zum vollkommenen Heilungsideal die Kostenwirksamkeit ergeben.
Es klingt gar nicht so abwegig. Es geht eigentlich um Kapital, gesundes, menschliches Kapital. Und der Gewinn zu diesem Kapital ergibt die Rendite.


Es bleibt spannend auf dem IGeL-Markt.