Montag, 20. Februar 2012

„Mens sana in corpore sano“ unserer Tage

„Mens sana in corpore sano“ sagten schon die alten Römer.
Der Grundsatz hat bis heute Gültigkeit. Nur sind wir heute dessen bewusst, dass der Zustand „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“ kein unveränderlicher Zustand sein kann. Dieser Zustand = die Gesundheit ist eine lebenslang aktiv herzustellende Balance. Gesundheit ist damit ein ausdrücklicher Bestandteil des täglichen Lebens und er liegt weitgehend in der Eigenverantwortung.
Eine der Bedingungen für einen gesunden Körper, der den gesunden Geist beherbergt, stellt die richtige Auswahl von Lebensmitteln dar. Wahlfreiheit und zugleich Eigenverantwortung machen die Auswahl eines „gesunden Lebensmittels“ aus einer fast unermesslichen Vielfalt nicht leicht - ohne eine Orientierungshilfe zur Kontrolle der Nahrungsaufnahme.
Die EU verstand unsere Sorgen, und beschloss am 16. 06. 2011 neue Regeln zu Lebensmittel-Kennzeichnung, denen dann am 29. 09.2011 die EU- Länder zugestimmten.

Bei Anwendung der neuen Regeln ist für den Hersteller künftig verpflichtend (und nicht wie bisher freiwillig) auf jeder Verpackung tabellarisch den Energiegehalt anzugeben und zusätzlich den Gehalt von Salz, Zucker, Eiweiß, Fett, gesättigten Fettsäuren und Kohlenhydraten. Damit die Angaben vergleichbar sind, müssen sich diese Angaben auf 100 g oder 100 ml beziehen.
Es ist Schluss mit Nährwertangaben, die sich pro Portion beziehen durften. Vielleicht war das etwas irreführend, aber so verlockend! So hatte z. B. ein Produkt auf den ersten Blick nur 153 kcal, 13,4 g Kohlenhydrate davon 0,9 g Zucker, 13,5 g Fett davon 1,1 g gesättigte Fettsäuren (= 12,4 g ungesättigte Fettsäuren), dazu 4,5 g Eiweiß und 4,0 g Ballaststoffe.
Der 2. Blick machte es dann deutlich: die Angaben gelten pro Portion = 25 g! Rechnet man auf 100 g hoch, heißt es dann 612 kcal oder in Joule = 2.523 kJ!!!, 53,6 g Kohlenhydrate davon 3,6 g Zucker, 54,0g Fett davon 4,4 g gesättigte Fettsäuren (=49 ,6 g ungesättigte Fettsäuren), dazu 18,0 g Eiweiß und 16,0 g Ballaststoffe.
Der gesundheitsbewusste Konsument wird womöglich künftig von diesem Produkt die Finger lassen - auf den 1. Blick. Denn mit dem 2. Blick wird ihm der Gehalt an ungesättigten Fettsäuren sowie der Eiweiß -und Ballaststoffgehalt bewusst, also, es wäre schade auf das Produkt zu verzichten!
Es ist eine Verunsicherung aber eine belanglose, die vom aufmerksamen und verständigen Verbraucher schnell, sachlich und in Eigenverantwortung geklärt werden kann.

Vor dem Hintergrund der neuen Lebensmittel- Kennzeichnung könnte der gesundheitsbewusste und durchschnittlich informierte Verbraucher noch mehr ins Grübeln kommen, und zwar bei der Zusammenstellung einer Mahlzeit, mit dem Ziel Körpergewicht -Kontrolle.
Er weiß, dass im Verhältnis Nahrungsaufnahme / Körpergewicht die Kohlenhydratverwertung eine Schlüsselrolle spielt, also die Höhe des Insulinbedarfs.
Die Nährwertangaben der neuen Lebensmittel- Kennzeichnung gelten grundsätzlich nur für das jeweilige Lebensmittel allein. Werden Mahlzeiten aber mit unterschiedlichen Komponenten verzehrt, - was normalerweise der Fall ist -, so könnten andere Nährstoffe wie Fett oder Eiweiß die Resorption der Kohlenhydrate maßgeblich beeinflussen.
Wie sollte der Verbraucher mithilfe der neuen Kennzeichnung seine Mahlzeiten gestalten, um das Auf und Ab des Blutzuckerspiegels zu vermeiden? Denn - wie er hört und liest - sollten Schwankungen des Blutzuckerspiegels eine entscheidende Rolle nicht nur in Causa Körpergewicht, sondern auch als Risikofaktor für Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und sogar Krebs spielen.

Im Hinblick auf das Ziel „Gewichtsmanagement“ und allein unter Berücksichtigung der Nährwerte einzelner Lebensmittel fehlt dem gesundheitsbewussten Verbraucher der geeignete Indikator für die Abschätzung des Insulinbedarfs nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit. Davon sprechen mehr oder weniger anerkannte Ernährungskonzepte.
Die Verunsicherung ist groß, und die Eigenverantwortung, ohne die sachkundige Mitverantwortung Dritten fast chancenlos.

Die Diskussion auf dem Lebensmittelmarkt wird aktuell immer mehr durch zweckgebundene Lebensmittel beeinflusst, also durch Lebensmittel, denen neben ihrem allgemeinen Ernährungszweck, auch ein weiterer Gesundheitsbezug eigen ist.
Hier geht es um die Problematik der Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln.

"Gesunde" Margarine verursacht Probleme in Gefäßen
- war vor kurzem in medialen Berichten und Berichterstattungen zu lesen und zu hören.

Hintergrund: In Deutschland werden im Handel sieben Lebensmittel angeboten, die mit Pflanzensterinen - pflanzlichen, fettähnlichen Stoffen - angereichert werden, u. a. auch 2 Margarinen. Diese sind für Verbraucher bestimmt, die ihren erhöhten Plasma(Blut)-Cholesterinspiegel senken möchten.

Nun hat die Verbraucherorganisation Foodwatch beim Landgericht Hamburg eine Unterlassungsklage eingereicht, gegen den Hersteller einer Margarine, Becel pro-activ, und auch Hersteller anderer cholesterinsenkender Produkte aufgefordert, diese als Medikament zu behandeln und nicht länger frei als Lebensmittel zu verkaufen.
Zur Klagebegründung führte Foodwatch auf, dass gesundheitliche Nutzen von Becel pro- activ nicht belegt seien. Im Gegenteil, es gebe Hinweise auf beträchtliche Risiken, nämlich Ablagerungen in Gefäßen und ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen.
Diese Aussagen stehen
• im Gegensatz zu den Konzern- Aussagen, wonach es bei der Margarine „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe;
• zu den Werbeaussagen der Produktlinie Becel pro.activ „Senkt nachweislich den Cholesterinspiegel“, welche rechtens seien, da die EFSA nunmehr cholesterinsenkende Wirkung von Pflanzensterinen bestätigt habe.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) weisen allerdings im Zusammenhang mit dem täglichen Verzehr wirksamer Mengen an Pflanzensterinen darauf hin, dass dadurch die Aufnahme bestimmter Vitamine aus der Nahrung gehemmt und den Pflanzensterinspiegel im Blutplasma erhöht würde. Da noch nicht sicher abgeschätzt werden könne, ob aus beiden Effekten langfristig unerwünschte gesundheitliche Beeinträchtigungen resultieren, empfehlen die Behörden eine Begrenzung des täglichen Verzehrs von Pflanzensterinen auf 3 g.

Das Gebiet gesundheitsbezogener Lebensmittel ist ein Kapitel für sich, das einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher eine erhebliche Verunsicherung bereiten könnte. Die Eigenverantwortung könnte sogar versagen, da er bei bestimmten Produkten auf widersprüchliche Angaben zwischen bestehenden Kennzeichnungen, Werbung und behördlichen Angaben stößt.

Der heutige durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher weiß eine Menge. Er weiß, dass die Auswahl von Nahrungsmitteln eine der Bedingungen ist, die seine körperliche und geistige Fitness, sein Wohlbefinden entscheidend beeinflusst. Er weiß auch, was das für ihn bedeutet: fähig zu sein, in Eigenverantwortung Bedingungen zu schaffen, welche sein Wohlbefinden ermöglichen und notfalls auch Bedingungen zu verändern, welche sein Wohlbefinden gefährden.

Fest steht aber: Die als Klassiker geltenden Grundsätze einer vollwertigen Ernährung, besser bekannt als „die 10 Regeln“, bleiben bei der Auswahl von Nahrungsmitteln DIE ORIENTIERUNGSHILFE schlechthin.
Sie sind für alle Verbraucher schnell nachvollziehbar und individuell bedingt veränderbar.

Außerdem ist nicht geklärt, wie der eigentlich durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher den Wald von lauter Bäumen wieder sehen kann.
Viele Ernährungskonzepte und unzählige Diäten behandeln zwar immer noch die Stoffe aus den „10 Regeln“. Es sind die Nährstoffe, die einen bestimmten kalorischen Nährwert besitzen, also Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate oder einen entsprechenden Mineralstoff und Vitamingehalt enthalten, so dass sie dem Körper als Energiespender oder Aufbaustoffe dienen und -nicht zu leugnen- auch Genuss bereiten können.
Eingebettet im Vorschriften- Wirrwarr verlieren die Nährstoffe ihre eigentliche Bedeutung. Der gesundheitsbewusste und durchschnittlich informierte Verbraucher konzentriert sein Augenmerk auf tabellarisch zusammengefasste Zahlenwerte für einzelne Lebensmittel, einzelne allergieauslösende oder genetisch veränderte Zutaten, viele weitere im „Kleingedruckten“ vorgesehene Merkmale, das Ganze umhüllt von einer nebulösen, widersprüchlichen Schicht von Angaben der Lebensmittelindustrie, Werbung und Behörden. Der Verbraucher verliert sein Gefühl für die Eigenverantwortung, seine Gesundheit als Bestanteil seines täglichen Lebens gerät aus dem Gleichgewicht.
Man ist nicht mehr, was man isst, sondern man ist, was man ist!