Dienstag, 31. Juli 2018

Die Logik von Buchstaben und Zahlen: Die hochindividuellen Codes in uns

Quelle. 123rf
Die wesentliche Erkenntnis der Molekulargenetik war,  dass in allen Lebewesen die Anweisungen für die Ausführung biologischer Funktionen in der gleichen „Sprache“ unter Benutzung der gleichen „Schriftzeichen“ niedergelegt sind.

Die Natur verwendet zum Codieren von biologischen Anweisungen das Erbmolekül Desoxyribonukleinsäure /  deoxyribonucleic acid (DNS / DNA).
Das DNA  - Molekül enthält  4 Basen - Adenin, Guanin, Thymin Cytosin, Sie lagern sich paarweise aneinander -  immer Adenin und Thymin sowie Cytosin und Guanin - und bilden einen Doppelstrang, auch Doppelhelix genannt. Aus der Basenabfolge (Sequenz) des Primärstranges ergibt sich somit immer auch die Sequenz des Komplementärstranges.
Die genetische Information ist durch die Reihenfolge besagter Basen bestimmt und liegt in der DNA in Form einer Vier- Buchstaben-Schrift vor, wenn man den Basen   Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin die Bedeutung von Buchstaben (A, G, T und C) gibt, ein BUCHSTABEN – CODE. Es ist ein auf unsere Gene geprägter Code und befindet sich im codierenden (abzulesenden) Abschnitt der DNA.
Darin sollen die Ursachen für unsere gesamte Lebensweise -  Erfolg/Misserfolg, Krankheit/Gesundheut, Berufs- und Partnerwahl -  liegen sowie die Ursachen für spätere Entwicklungen.
Jedoch lediglich 2-3% der DNA enthalten abzulesende Sequenzen als Erbinformation.

Den überwiegenden Teil der DNA bilden die nichtcodierenden Abschnitte. Da diese Bereiche  individuell sehr spezifisch sind, können sie in der Praxis ebenfalls hochrelevante Funktionen aufweisen.

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Aus der genauen Kenntnis des menschlichen Erbgutes erhofft man sich insbesondere neue Möglichkeiten der Früherkennung von Krankheiten sowie neue Erkenntnisse über den etwaigen Einfluss genetischer Faktoren für Verhaltensmerkmale, Suchtverhalten u.a.m.

Die Verknüpfung von Krankheit und Erbmolekül könnte das Einläuten einer neuen Ära der Medizin bedeuten: Der Durchbruch der PERSONALISIERTEN THERAPIE!
Denn die durch Analyse erlangten genetischen Informationen ermöglichen eine individuelle Therapie, mit der die gewünschte Wirkung eher zu erreichen sei, als bei einer Standardtherapie.
Der Ablauf könnte folgendermaßen aussehen: Der Arzt tippt die Diagnose des Patienten in den PC ein, der mit einer “up to date“  Software, die mit aktuellen Forschungsergebnissen ausgestattet ist. Ergebnis: Medikament A sollte verschrieben werden, da Medikament B unwirksam sei und Medikament C viele Nebenwirkungen habe.

Musik der Zukunft sollte man meinen, allerdings einer nahen Zukunft, da in der Krebstherapie die maßgeschneiderte Genom-Therapie bereits in Ansätzen verwirklicht wird. Die Gen-Analyse von Krebszellen liefert Hinweise über die Art der Tumor. Lässt sich am bestimmten Gen eine bestimmte Veränderung nachweisen, raten die Ärzte von einer Chemotherapie ab. Bei einer anderen DNA-Veränderung, die für eine andere Tumorart spricht, raten die Ärzte eher zur Chemotherapie, weil die Tumoren gut auf Medikamente sprechen. Konsequenz: Dem Patienten bleiben schwere Nebenwirkungen einer unnötigen Therapie erspart.

Vererbte Veränderungen im genetischen Material können in unterschiedlicher Kombination das Risiko zum Ausbruch und Verlauf bestimmter Krankheiten erhöhen. Die dafür notwendigen Informationen sind auch im codierenden Teil der DNA-Abschnitte enthalten.
In Deutschland ist ein derartiger Gentest durch das Gendiagnostikgesetzt verboten.
Aber es gibt weltweit aktive Datenbanken, welche die Durchführung von Erbgutanalysen bieten, um dem Betroffenen eine Antwort auf die Frage zu geben, ob der mit schweren Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislaufleiden, Alzheimer … rechnen muss.

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Bei höheren Organismen wie der Mensch, ist der überwiegende Teil der DNA „nichtcodierend“.
Die nichtcodierenden Abschnitte werden MARKER genannt. Marker-Analysen  finden Anwendung in relevanten Lebensbereichen, wie beispielsweise Kriminalistik, Vaterschaftstests oder „genetische Genealogie /genetische Ahnenforschung.“

Die Analyseergebnisse werden computergesteuert in Zahlenkombinationen übersetzt Es entsteht ein NUMMERN-CODE, der für jeden Menschen unterschiedlich ist.
Im Gegensatz zu den DNA-Analysen, bei denen Gene aus den codierten DNA-Bereichen untersucht werden, lässt der durch MARKER-Analyse ermittelte GENETISCHE FINGERABDRUCK keine Rückschlüsse über etwaige Krankheiten zu.

Die enorme Bedeutung des GENETISCHEN FINGERABDRUCKS  lässt sich am besten durch die spektakulären Aufklärungserfolge in der Kriminalistik veranschaulichen -  wenn Verbrecher Jahrzehnte nach ihrer Tat überführt werden können. 
Beweiskraft hat ein derartiger genetischer Fingerabdruck allerdings erst, wenn er mit dem Erbgut des Verdächtigen übereinstimmt.
Aus diesem Grund gleichen die Ermittler altes Spurenmaterial mit den Datensätzen in der zentralen DNA-Bank des Bundeskriminalamtes. Bei Übereinstimmung steht fest, dass ein solcher FINGERABDRUCK nur auf  1 von bis zu 5 Milliarden  Spurenverursachern zutrifft.

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Was aber, wenn das Verbrechen Jahrzehnte zurückliegt und zudem aus einer Zeit stammt, als noch keine DNA-Analysen gab? 
Der Ausweg: Die GENETISCHE GENEALOGIE / genetische Ahnenforschung. Diese nutzt DNA - Analysen des menschlichen Genoms, um den Grad der Verwandtschaft  zwischen Individuen  oder deren Abstammung nachzuweisen

Die Genealogie als solche soll dank Internet ein wahrer Boom erfahren. In genealogischen Datenbanken im Internet sind heute viele Millionen erforschte Ahnentafel und Stammbäume zu finden.
Der größte von Wissenschaftlern erstellte Stammbaum der Welt soll 13 Millionen Menschen umfassen. Dabei durchforsteten US-Ahnenforscher 86 Millionen Personenprofile, die von Hobby-Ahnenforscher aus aller Welt angelegt worden sind.

Eine junge Amerikanerin, CeCe Moore, war bis vor kurzem auch „nur“ eine Selfmade-Ahnenforscherin - aber eine, mit zündender Geschäftsidee, wie das Magazin STERN (Heft 30, 2018) vor kurzem berichtete: Genealogische Portale für kriminalistische Zwecke zu nutzen.
Wie es mittlerweile scheint, eröffnete ihr diese Geschäftsidee die Chance „Closer von Cold Cases“ zu werden!

Im Juni dieses Jahres konnte sie ihren ersten Erfolg vermelden. Es ging um einen Fall aus dem Jahr 1987.
Dafür habe sie die DNA - Daten der von der Polizei enthaltenen Tatortprobe genommen und sie in eine zugängliche Online-Datenbank für Ahnenforschung eingegeben. Auf diese Weise soll sie einen Cousin zweiten Grades des Verdächtigen gefunden haben. Anschließend baute sie einen Stammbaum bis zu seinen Urgroßeltern. Moore bediene sich zur Abstammungs-Rekonstruktion bevorzugt der alten Todesanzeigen, wo meistens die vollständigen Namen aller Kinder und Enkel der Verstorbenen aufgelistet sind. 
Vom Cousin habe sie sich bis zu den Eltern des Verdächtigen vorgearbeitet. Da hatte sie Glück: Sie hatten nur einen Sohn. Sicherheitshalber überprüfte sie noch anhand seiner Adresse und seines Alters, ob er in das Profil des gesuchten passte. Und: es passte. Die Polizei bekam seinen Namen.

Die Informationen von Moore aus der Auswertung der Stammbaum - Genanalyse gelten rechtlich lediglich als genetische Indizien. Beweiskraft erlangen sie erst, bei Übereinstimmung mit dem Erbgut des Verdächtigen. Da die Ermittler bereits seinen Namen hatten, befand sich dieser unter Beobachtung … und da wurde ihm ein weggeworfener Kaffeebecher mit seinen Abdrücken zum Verhängnis. Abgleich: positiv.

Ob nun ein BUCHSTABEN-CODE aus den sogenannten codierenden DNA-Abschnitten, der Erbinformationen enthalten, oder ein NUMMERN-CODE aus nicht codierenden Abschnitten, der hoch spezifische Ergebnisse liefert, weisen beide diese unsere Codes in uns einen nennenswerten gesellschaftlichen Nutzen auf.

Im Rahmen einer  personalisierten Therapie können Gen-Daten genutzt werden, um jedem Patienten eine maßgeschneiderte Behandlung anzubieten. Möglich wird dies, weil die Kosten für DNA-Analysen dramatisch fallen.  Dem Patienten bleiben manche Komplikationen erspart. Weniger Fehlbehandlungen könnten die Kosten senken. Pharmaunternehmen erforschen das Zusammenspiel von Genen und Medikamenten und ihre Erkenntnisse fließen vermehrt in die tägliche Praxis ein.  

Die personalisierte Medizin setzt voraus, dass sensible Daten, wie das eigene Erbmolekül, einfach zugänglich sind. Dafür käme die im aktuellen E-Health-Gesetz vorgesehene ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTE infrage.  Aber, wer kann und wann auf Gen-Daten zurückgreifen, auf Daten, die Geheimnisse, „Betriebsgeheimnisse“ unseres Körpers preisgeben? Denn diese Daten sind für die Kranken- und Lebensversicherungen von Bedeutung und auch Arbeitgeber ziehen kerngesunde Bewerber vor.

Stammbäume mit DNA-Analysen kombinieren?
Das Interesse an Genealogie scheint auch in Deutschland groß zu sein. Hobby-Interessenten werden nicht allein gelassen. Weltweit aktive Datenbanken bieten viele Möglichkeiten Ahnenforschung zu betreiben.
Und natürlich ist jeder erleichtert, wenn aufgrund einer Stammbaum /DNA – Analyse die Ermittler zwar auf eine späte, aber richtige Spur gebracht werden und der in Sicherheit verweilende Verbrecher aus dem Verkehr gezogen wird.

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Die Gewinnung von DNA-Profilen ist immer ein Eingriff in das PERSÖNLICHKEITSRECHT. Aus diesem Grund muss nach deutschem Recht das Einverständnis dieser Person vorliegen oder durch ein Gericht erzwungen werden.

Einige amerikanische und auch deutsche Firmen sollen die Ahnenforschung dazu nutzen, kostengünstig personenbezogene Daten zu ermitteln. Der Nutzer von Web-Portalen geben zum Zwecke der Ahnenforschung Adressen und Geburtsdaten ihrer Verwandten ein. So erfahren personenbezogene Daten in kürzester Zeit  einen hohen Verbreitungsgrad und große Mengen an Daten über lebende und verstorbene Personen werden vermarktbar.
Das deutsche Datenschutzrecht ist nicht anwendbar, wenn der Nutzer in den Geschäftsbedingungen der grenzüberschreitenden Verarbeitung zugestimmt hat.  
Neue Gesetze müssen her, die den Umgang mit DNA-Daten regeln. Bislang haben nur die USA derartige Gesetze erlassen.