Donnerstag, 14. November 2013

Alte Sitten im Zeichen modernen Lifestyles: der Adventskranz

Ein bisschen Tannengrün, 4 Kerzen und fertig ist der Adventskranz. Er ist mit vielen Volksbräuchen verbunden: von Adventskranz auf einem Tisch im Wohnzimmer, Aufhängen des Kranzes an der Außenseite der Wohnungstür, oder in der Zeit vor Weihnachten verbunden mit dem Anbringen von Lichterketten an Fenstern, im Garten, auf dem Balkon.

Im Lichte unseres heutigen Lifestyles scheinen alte Sitten wie der Adventskranz merkwürdige Blüten zu treiben, die immer mehr die Gerichte beschäftigen.

Wie sieht es mit dem Bewohner eines Hauses aus, der nach alter Sitte und zum Verdruss der Nachbarn  einen Adventskranz an der Außenseite seiner Wohnungstür aufgehängt hatte? Eine Zumutung? Die Nachbarn fühlten sich belästigt. Doch sie hatten mit ihrer Forderung nach sofortiger Entfernung des Kranzes keine Chance. Das Urteil des Landgerichtes Düsseldorf lautete: Solch ein saisonbedingter Schmuck müsse geduldet werden, (Az.: 25 T 500/89)

Darf der Vermieter das Anbringen von Lichterketten an Fenstern, im Garten und/oder auf dem Balkon verbieten?
Nein, wie ein beispielhafter Fall des Landgerichts Berlin zeigt: Ein Vermieter hatte seinem Mieter unter anderem deswegen gekündigt, weil er in der Weihnachtszeit eine Lichterkette auf der Terrasse angebracht hatte. Das Gericht wies die Räumungsklage ab. Die unerwünschte Lichterkette rechtfertigt keine Kündigung. Ob es sich überhaupt um eine Pflichtverletzung handelt, lies das Gericht in seiner Entscheidung ausdrücklich dahinstehen. Denn es handelt sich um eine inzwischen weit verbreitete Sitte, in der Zeit vor und nach Weihnachten, Fenster und Balkone mit elektrischer Beleuchtung zu schmücken. Selbst wenn im Mietvertrag ein Verbot von Lichterketten vereinbart wäre, und der Mieter trotzdem eine Weihnachtsbeleuchtung anbringt, handelt es sich um einen so verhältnismäßig geringfügigen Verstoß, der weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen könnte. (Az.: 65 S 390/09)

Das Thema „brennende Kerzen“ ist ein Kapitel für sich. Die Versicherungen verzeichnen jährlich tausende Schadenfälle aufgrund von brennenden Kerzen auf Adventskränzen / oder Weihnachtsbäumen.
Wenn der Adventskranz / Weihnachtsbaum brennt, ist das immer ein Fall für die Hausratversicherung. Diese zahlt den Schaden, wenn keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Dabei kommt es immer auf den Einzelfall an – wie unzählige Urteile zum Thema „brennende Kerzen“ zeigen.
Wer den Raum nur für eine Viertelstunde verlässt und dabei brennende Kerzen aus den Augen lässt, handelt nach Auffassung des Amtsgerichts Neunkirchen grob fahrlässig (Az.: 5 C 1280/95), nach einem Urteil des Landgerichts Krefeld, zieht der Zustand, dass ein Adventskranz ungefähr 30 Minuten unbeaufsichtigt bleibt, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nach sich,(Az: 5 O 422/05

Auch die Beschaffenheit von Gesteck oder Baum wird bei richterlichen Entscheidungen berücksichtigt - genauso wie der Umstand, ob man die Wohnung verlässt oder nur das Zimmer mit den brennenden Kerzen. So sprach das Landgericht Oldenburg in einem Fall von "grober Fahrlässigkeit", als ein Versicherter Kerzen auf einem stark ausgetrockneten, älteren Gesteck angezündet und dann das Haus verlassen hatte, (Az.: 2 U 300/00).

Nicht fahrlässig handelt hingegen, wer den Adventskranz auf einem gefliesten Tisch für die Dauer einer Viertelstunde für einen Toilettenbesuch unbeaufsichtigt lässt, so die Entscheidung des Landgerichts Hof, (Az.: 13 O 471/99).

Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte ebenfalls eine Versicherung zum Ausgleich des Schadens, der durch einen brennenden Adventskranz verursachte wurde. Der Entscheidung lag der Fall einer Mutter zugrunde, die mit ihren nervenden Kindern zu einem Familienausflug aufbrach und dabei in der Hektik vergaß, den brennenden Adventskranz auszupusten. Das Gericht sah im Verhalten der Mutter keine grobe Fahrlässigkeit. Das Brennen lassen eines Adventskranzes in unbeaufsichtigtem Zustand ziehe nicht ohne weiteres stets den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nach sich. Das Verhalten der Mutter müsse als unentschuldbar zu werten sein, was es im vorliegend Fall nicht gewesen sei, (Az.: 2 U 161/99).

Trotz heutiger mehr oder weniger skurriler Sexualitäts-Inhalte gibt es sie auch noch, die traute Zweisamkeit beim Kerzenlicht oder im Schein brennender Kerzen auf einem im Wohnzimmer befindlichen Adventskranz.
Ein beschauliches Adventsfrühstück im Jahr 1997! ER wollte  es perfekt haben und zündete die Kerzen des Adventskranzes auf dem Wohnzimmertisch an, bereitete selbst den Frühstückskaffee zu. Erst dann begab ER sich ins Schlafzimmer, nur um SIE zu wecken. Aber hier war SIE, die Verlockung! Und der Adventkranz blieb Minuten lang unbeaufsichtigt. Das Wohnzimmer geriet in Brand. Nach seiner Rückkehr ins Wohnzimmer gelang es IHM selbst den Brand zu löschen, so dass die alarmierte Feuerwehr nicht mehr eingreifen musste.  Als Brandfolge schlug sich im ganzen Haus Ruß nieder. Die Kosten der Schadensbeseitigung beliefen sich auf insgesamt 64. 399, 38 DM. Der Kampf mit der zahlungsunwilligen Hausratsversicherung  begann. Grobe Fahrlässigkeit?
Das LG Mönchengladbach in 1. Instanz  und die OLG Düsseldorf in 2. Instanzen zeigten begründetes Verständnis für menschliche Bedürfnisse, weil  
„Dem Versicherungsnehmer, der am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages die Kerzen eines Adventskranzes auf dem Wohnzimmertisch angezündet und den Frühstückskaffee zubereitet hat, sich in das Schlafzimmer begibt, um seine Lebensgefährtin zu wecken, sich dort von ihr ablenken lässt und deshalb den sich entwickelnden Brand nicht bemerkt, ist in subjektiver Hinsicht kein unentschuldbares Fehlverhalten vorzuwerfen, so dass der Hausratsversicherer nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei ist, (OLG Düsseldorf,  Az.: 4 U 182/98, LG Mönchengladbach, Az.: 10 O 141/98)

Und, und, und….. Es gibt eine Fülle von unterschiedlichsten Fällen.

Was bleibt noch zu sagen?
Nicht alle alten Sitten bedeuten eine Zumutung und ein unbeaufsichtigtes Brennen lassen von Adventskerzen bedeutet nicht automatisch grobe Fahrlässigkeit. Es kommt auf den Einzelfall an. Und die Richter. Es sind die Richter, die die (Lifestyle)Welt in ihrer Vielfalt als Sinnganzes betrachten, ohne dabei den Rückbezug auf das Lebensverständnis außer Acht zu lassen.